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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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herausstellte, hatte ich auch heute wieder ganz auf die Unterhosen vergessen. Beim Stehen betrachtete ich die kleinen Plastikfläschchen, die überall entlang der Einfahrt Richtung Eingangstür herumlagen wie die Kieselsteine von Hänsel und Gretel im Wald. Vielleicht wollten die beiden Idioten ja den Fluchtweg damit markieren? Ich hob eines davon auf und las: SuperSlimShot, basierend auf Artischockenextrakten.
    Shots waren mir nichts Unbekanntes, einerseits von Johnny Cash, der ja gerne „I shot a man in Reno, just to watch him die“ sang. Anderseits natürlich aus den Bars und Wirtshäusern dieser Stadt. Ein paar schnell gezischte Wodka-Shots hatten manchmal etwas sehr Tröstliches. Aber was war das hier für ein Scheiß?
    Ich steckte drei dieser Fläschchen ein, für den Fall, dass ich heute noch mal Durst kriegte, und ging dann vorsichtig weiter. Dabei näherte ich mich dem Haus von Gemüseessern, das war mir bald klar. Weiße, glatte Flächen mit viel Glas, ein renovierter und umgebauter Architektentraum aus den 60er-Jahren, schätzte ich mal, was sich schwarzbebrillte Idioten halt so einfallen lassen, wenn ihnen langweilig ist. An der Front des Hauses waren zwei Türen, die eine führte zur Ordination Dr. Nyilasi, die andere führte zu Privat. Ich öffnete die Tür zu Privat. Warum? Weil ich nicht krank war und Ärzte hasste, außer sie hießen Dr. Biene Mayr. Die Tür stand außerdem offen, was nach einem Einbruch nicht überraschend war. Um mich gegen unliebsame Schläge auf den Kopf aus dem Hinterhalt zu wappnen, zog ich meine Kleinkalibrige. Langsam schlich ich hinein, und auch innen war alles hell, weiß und glatt.
    Mittlerweile war mir um den Sack herum wieder so kalt, dass ich nur noch irgendjemanden um eine Thermoskanne voll mit heißem Tee bitten wollte, den Schnaps dafür hatte ich selbst mit.
    Ich ging weiter in Richtung einer sogenannten offenen Küche, die in einen riesigen Ess-Wohn-Bereich mündete. Dort sah ich dann die Fortsetzung von Dumm und Dümmer, diesmal in der Hauptrolle: eine große, halbwegs Fette in ihrer Haushaltsschürze. Ihre Hände waren mit einer Schnur gefesselt, aber vorne, so konnte sie sich wenigstens ein Stück Schokolade in den Kaubereich hineinschieben, was sie gerade tat. Mit offenem Mund saß sie nun da auf der Couch vor der Wand, an der früher der Fernseher gehangen hatte, aber jetzt glotzte sie mich an. Ich fragte: „Na, was läuft?“ Und ich meinte jetzt natürlich nicht die Sendung im TV!
    Sie nahm langsam das Stück Schoki wieder aus ihrem Mund heraus und stopfte sich stattdessen einen Knebel hinein, ohne die Augen von mir zu wenden. Dann stand sie langsam auf, ging in die Küche, sank dort ganz langsam in einer Ecke zusammen und spielte die Ohnmächtige, wobei sie wohl hoffte, dass ich den Teil bis zur gespielten Ohnmacht aus meinem Film herausschneiden würde. Manchmal ist die Hoffnung freilich das Letzte, was einem bleibt.
    Ihre Schürze wies sie als Haushälterin oder Putzfrau aus, ich kombinierte also haarscharf: Komplizin! Mitwisserin! Unter polnischen Putzfrauen war das nämlich eine Zeit lang der heiße Sport gewesen, dass sie irgendwo bei den Reichen anheuerten, die Lage auskundschafteten und dann die männliche Verwandtschaft nachkommen ließen, die dann – unter Kenntnis der Pläne und der besonderen Umstände – die Bude ausräumte.
    Ich ging zu ihr hin und nahm ihr den Knebel wieder heraus, ich wollte schon sagen: „Du Polin?“ Aber da kam sie mir zuvor und fragte in einwandfreiem Favoritener Deutsch: „Bringen Sie die Obst-und-Gemüse-Kiste?“
    Ich musste sie enttäuschen: „Sehe ich so aus?“
    Ich hasste Obst und Gemüse, und ich fand, dass man mir das auch langsam hätte ansehen müssen – die schlechte Haut, die brüchigen Fingernägel, die gespaltenen Haare …
    Freundlicherweise schnitt ich ihr die Fesseln vorne durch und fragte: „Wer waren denn die beiden Idioten da draußen, Ihre Söhne vielleicht? Sie haben wirklich alles fallen lassen und mir sogar einen Kratzer in den Lack gemacht, wer bezahlt mir denn das?“
    Sie sackte ein Stück weiter in sich zusammen und schämte sich, dann weinte sie beinahe und schluchzte: „Sie sind einfach so dumm. Ich hab ihnen doch gesagt, dass sie nur die Fläschchen mitnehmen sollen, aber dann haben sie den Fernseher gesehen und wollten ihn unbedingt haben!“
    Ich sagte: „Sind Sie denn mit dem Vater noch zusammen?
    Sie sagte: „Nein!“
    „Dann können Sie’s ja auf ihn schieben!“
    Die

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