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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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genau?“
    Sie sagte: „Na das hier! Das Haus! Die Leute! Ich lass mich jedenfalls ab morgen krankschreiben, Schocktrauma wegen Raubüberfall, und in vier Wochen gehe ich dann in Frühpension, aber mit erhobenem Haupt. Die haben mich hier nicht gebrochen, obwohl sie es wirklich versucht haben.“
    Sie naschte nun doch ein Stück Schokolade und kippte ein weiteres Glas, während ich überlegte: Der Alte kam also zeitlich für das Verschwinden seiner Tochter nicht infrage, wobei ich Bertha recht geben musste – solange man nichts Sicheres über sein Verschwinden und seinen Aufenthaltsort wusste, war eigentlich alles möglich.
    Ich überlegte bei einem Glas Gin weiter und musste plötzlich an Kubelkas weise Worte denken, wonach es immer die Mutter ist, die dein Leben ruiniert, auch wenn hier gerade ein seltenes Prachtexemplar vor mir saß, aber ich fragte trotzdem: „Und wo ist die Mutter, was ist mit der?“
    „Na, die fuhr vor zwei Tagen zum Arzt. Sie fuhr nämlich jeden Tag zum Arzt oder ins Krankenhaus, weil sie sich immer irgendwas einbildete, dass sie dies oder jenes hat, Schmerzen im Knie und Rücken und so, alles sychisch …“
    „… sychisch?“
    „Ja, sychisch! Aber jetzt hat sie echt was, und zwar Brustkrebs.“
    Es ist immer so schwer, in solchen Situationen die richtigen Worte zu finden, also fragte ich: „In beiden?“
    Sie sagte: „Keine Ahnung, in wie vielen, sie konnte es mir ja nicht mehr sagen, weil sie im Koma liegt!“
    Ich fragte: „Wissen Sie das oder ist das eine Vermutung?“
    „Ich weiß es, weil sie mich sonst angerufen hätte, was sie nämlich immer tat. Sie rief mich jede halbe Stunde an, wenn sie außer Haus war, und dann sagte sie mir, was ich putzen und sauber machen sollte, nur damit ich ja keinen Frieden hatte in meinem Leben, wenn ich nämlich nicht unglücklich war, dann war sie nicht glücklich, so eine ist das.“
    Ich fragte: „Und wissen Sie auch, warum?“
    „Nein!“
    „Sie gab den Druck weiter, unter dem sie selbst als Kind gelitten hat.“
    Bertha sagte: „Ach deswegen?“
    Ich sagte: „Ja.“
    Dann kratzte sie sich am Kopf, schenkte sich und mir noch einen ein, und schaute dabei nachdenklich auf den Sessel neben mir:
    „Dort ist sie immer gesessen, Gerda von Hagen, mal hatte sie mehr auf den Rippen, mal weniger, zum Schluss gar nichts mehr. Ich hatte auch nicht immer Glück mit meinen Männern, heute bin ich froh, dass ich alleine bin mit meinen sechs Kindern. Aber die hatte richtiges Pech mit dem Doktor!“
    Ich dachte: Die hatte aber schon richtiges Pech mit ihrer Mutter!, sagte aber: „Wieso denn?“
    „Wenn man als Frau einen Haushalt führt, dann will man auch mal richtig was kochen. Aber was ich für die kochen durfte, das war ja immer niedrig gegart oder musste gedünstet werden anstatt gebraten, das machte doch überhaupt keinen Spaß!“
    Ich schenkte uns nach, wir prosteten uns zu, und jetzt fing sie richtig an zu reden: „Ich sagte ja immer: Aus ihr hätte man unter Umständen noch einen normalen Menschen machen können, aber aus ihm? Er hasste Fett, er hasste es wirklich. Er hat mich die ganzen Jahre nie angeschaut, und schon gar nicht hat er mich angefasst. Sonst ist das ja normal, dass der Hausherr das Mädchen anfasst, oder nicht? Aber er mich? Nie!“
    Ich fand, jetzt überschätzte sie sich vielleicht ein kleines bisschen, sie hatte als Mutter Qualitäten, aber als Frau zum Anfassen?
    Um das ganze Elend dieses Haushaltes zu unterstreichen, nahm sie mich plötzlich an der Hand und ging mit mir in die Küche zum Kühlschrank, sie öffnete ihn, und dann mussten wir beide fast weinen bei diesem Anblick. Da drinnen lag nämlich nur runzeliges Gemüse und welker Salat. Sie sagte: „Darum hab ich Sie ja wegen der Gemüsekiste gefragt, der Fahrer kommt ein Mal pro Woche und bringt frisches Zeug!“
    Ich sagte: „Verstehe.“
    Sofort fiel mir die eine Simpsons-Folge ein, in der Bart und die anderen durch die Wohnung tanzen und „Man findet keine Freunde mit Salah-hat!“ singen, während die kleine Vegetarierin Lisa weinend daneben steht.
    Wir gingen sofort wieder zurück ins Wohnzimmer, dort fragte ich nach Maxi, wegen der ich eigentlich hier war, und Bertha erzählte: „Ich habe selbst sechs Kinder groß gezogen, und nicht alle stammen vom gleichen Mann, wenn Sie verstehen, was ich meine. Der eine ist blond, der andere lockig, einer ist sogar tot. Zwei Mädchen sind fett wie ich, und nur die Letzte ist wirklich gelungen. Aber das eine sag

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