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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Normalerweise schlug ich mich also mit einem Kohleofen durch, aber mit zunehmendem Alter wurde es immer schwerer, das Zeug heraufzuschleppen, und es freute mich auch nicht. Also machte ich es wie jeder routinierte Penner – ich füllte vor dem Zubettgehen den Tank, was mich kurzfristig wärmte, aber in der Früh war der Tank wieder leer, und dann war mir immer so furchtbar kalt.
    Auch die Luft herinnen fing langsam an mir Sorgen zu machen, manchmal hatte ich das Gefühl, dass mir schwarz vor Augen wurde, aber dann stellte sich heraus, dass ich nur wieder eingeschlafen war. Die Fenster zu öffnen kam aber nicht infrage, denn die ganzen durchgefrorenen Zugewanderten aus den sonnigen Südstaaten ließen draußen Tag und Nacht die Motoren ihrer Autos laufen, während sie die Heizung darin voll aufdrehten. Sie stiegen immer wieder ein, um sich darin zu wärmen, und stiegen dann wieder aus, um neben ihren Autos zu stehen und miteinander zu reden, und irgendwie taten das alle unter meinem Fenster.
    Jeder Anruf vor High Noon war daher einer mitten in der Nacht, und jetzt war es kaum sechs Uhr früh, ich war also noch nicht annähernd ausgeschlafen und bereit für den neuen Tag, als die Schelle läutete. Ich wollte nicht rangehen, aber nach der zehnten Klingelsession gab ich auf, ich war da vielleicht eine Spur zu weich. Während ich auf meine Wampe hinunterschaute, fragte ich mich: Why am I so soft in my middle, when the rest of my life is so hard? Ich drückte auf Grün und sagte:
    „Superschnüffler Rock Rockenschaub löst auf alle Fälle alle Fälle, ich hoffe, Sie haben einen triftigen Grund, mich zu wecken!“
    „Ich bin’s, Guttmann!“
    Es war Guttmann, der Bulle. Er klang gereizt, obwohl seine Schmerzen im Arsch nun endlich weg waren, seit ich ihn dazu hatte überreden können Lemmys Gras zu rauchen, das laut übereinstimmenden Studien schmerzstillende Wirkung hatte. Aber was ihm Lemmys Gras Gutes im Arsch anrichtete, das machte die Angst vor Weihnachten bei ihm wieder wett, ich fragte: „Was ist denn?“
    Er sagte: „Wir haben ein totes Mädchen gefunden.“
    Leichen waren nicht meine Leibspeise zum Frühstück, auch nicht zum Dessert, und sofort beschlich mich ein blödes Gefühl: „Hat die Leiche eine Tätowierung am Arm?“
    „Keine Ahnung!“
    Ich sagte: „Was? Ich versteh dich so schlecht!“
    Er hörte sich heute an wie so einer aus den besseren Bezirken, der sich die Haare frisiert und Button-down-Hemden beim Scheißen trägt, so als hätte er zwei Pfropfen in der Nase, ich sagte also: „Hast du Schnupfen?“
    Ich hatte die letzte Nacht viel Wasser verloren, und zuvor im Auto auch schon, also fing ich den Tag mit einem Schluck Russenschnaps aus dem Becher an, dann legte ich mit einem größeren Schluck nach. Bald war ich wieder im Lot und konnte halbwegs gerade stehen.
    Du lieber Himmel, was für eine Nacht! Wenn der liebe Herr Doktor mal wegen irgendwas verhaftet werden sollte, dann bitte wegen seiner SuperSlimShots . Das waren keine Schlankmacher, das waren Abführmittel in Bombenform.
    Ich zog frische Leibwäsche an, was jetzt leider wirklich notwendig war, und dann einen frischen Jogger, den von gestern konnte ich unmöglich noch einmal tragen. Ich mochte frisch gewaschene Jogginganzüge eigentlich gar nicht, weil sie irgendwie so steif waren und ihnen das Ausgeleierte in der Scham- und Kniegegend fehlte, das lag vielleicht am harten Wasser in der Waschmaschine. Ein Jogger sah aber nur dann gut aus, wenn er an einem hing wie ein speckiger Sack.
    ***
    Im Windfang des neuen Bio-Supermarktes erspähte ich dann meine drei Schneeräumerkumpels aus der Asylanten-Szene, und als sie mich sahen mit Mantel und Kapuze, erkannten sie mich zunächst nicht und machten einen auf Stressfaktor zehn, weil sie wussten, dass man ihnen als Weißer hier gerne in den Arsch trat, wenn sie als Schwarze nicht wild genug schaufelten, von wegen: faule Asylanten!
    Aber ich war da anders gepolt. Wenn es sich lohnte an etwas zu arbeiten, dann höchstens an Qualität und Tiefe des Mittagsschlafs, das war jedenfalls meine Meinung. Ich gab ihnen also was zu rauchen und verband damit die Hoffnung, dass sie die Ware auch unter ihre Leute bringen würden, Mundpropaganda war der Schlüssel zum Erfolg eines jeden guten Produktes, die Asylantenszene war groß, die der arbeitsscheuen Sozialhilfeempfänger auch, und wenn sie nur die Hälfte der Schneeräumer anfixten, dann würden Lemmys Kassen zu Weihnachten vielleicht doch noch

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