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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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joggen. Seht ihn euch an! Er wiegt weniger als Guttmanns Arsch.“
    Ich sagte: „Aber Guttmanns Arsch wiegt ganz schön viel.“
    Da mischte sich der mit seinem schweren Arsch ein und sagte: „Leckt mich doch am Arsch!“
    Der Jogger sah nicht viel gesünder aus als Lemmy, er war fahl im Gesicht und eingefallen, er erinnerte mich an Bertha in der Villa, als sie die Grimasse des magersüchtigen Mädchens geschnitten hatte, ich fragte: „Und warum macht er das, was treibt ihn an?“
    Solche Rätsel interessierten mich mittlerweile, und die Biene wusste die Antwort: „Trivialpsychologisch würde ich sagen, er läuft vor etwas davon.“
    „Aber vor was denn?“
    „Vor Problemen? Seiner Alten? Dem Altern? Da drinnen ist bei ihm rein gar nichts mehr.“
    Sie tippte sich auf die Brust, wo normalerweise das Herzchen war. Oder die Seele. Je nachdem, woran man glaubte.
    „Einzig das routinierte Abspulen von Kilometern hält seinen Motor noch am Laufen.“
    Guttmann sagte zu mir: „Kümmere dich mal um ihn!“
    Der Anblick schmaler, knochiger Ärsche in engen Jogginghosen war das traurigste, was man als moderner Mensch zu sehen kriegen konnte, natürlich neben den fetten Ärschen der späten Mütter, die man oft nach ihren komplizierten Schwangerschaften samt Kinderwagen durch die Stadt joggen sah, was aber natürlich überhaupt nichts brachte. Und dann gaben diese Jogger auch noch für ein Paar Schuhe deutlich mehr Geld aus, als eine kleine Tüte Gras bei Lemmy kostete, obwohl die eine Tüte Gras einen viel glücklicher machte als zwei Schuhe.
    So wie sich der Bär den Honig auf Vorrat in die Höhle holt, damit er im Winter was zu futtern hat, so hatte ich mir irgendwann ein paar Joints auf Vorrat gedreht, damit ich immer was zu rauchen hatte, und ein paar von den Geräten steckten jetzt in meiner Hose.
    Zwar war es noch früher Morgen, aber das Glück war an keine Tageszeit gebunden, und so ging ich jetzt zu dem Spinner hinüber, tippte auf seine Trinkflasche und sagte: „Na, Sportsfreund? Was ist denn da drinnen?“
    Er hörte noch immer nicht auf, auf der Stelle zu laufen, weiß der Teufel, was er vorhatte, dann sagte er: „Elektrolyte.“
    Ich sagte: „Diesen Schnaps kenn ich nicht.“
    Dann legte ich ihm meine Pranke auf die Schulter und drückte immer fester drauf, bis er endlich aufhörte, wie eine Waschmaschine im Schleudergang zu hüpfen. Jetzt, wo er nicht mehr lief, schien ihm tatsächlich jeder Sinn im Leben zu fehlen, er blickte mich ganz ängstlich an, obwohl es doch überhaupt keinen Grund gab, vor mir Angst zu haben, im Gegenteil. Gleich würde ich ihn in eine bisher unbekannte Dimension schießen.
    Zuerst griff ich in meine Tasche und holte ein Säckchen Gras heraus, das steckte ich ihm in die Brusttasche seiner atmungsaktiven Jacke, dabei sagte ich: „Setz dich doch mal zuhause gemütlich auf deine Couch, leg dir ein paar Zombie-Filme ein, und dann rauch das Zeug hier, du wirst sehen – Erholung ist der wahre Freund des Körpers.“
    Dann zündete ich mir selbst einen Dicken an und zog ein paar Mal kräftig durch, bevor ich ihn dem Spinner in den Mund steckte, und so sauerstoffdefizitär wie der war, atmete er den Rauch schon beim ersten Mal vorbildlich tief ein, schon fast so tief wie Bob Marley.
    Er sagte: „Ich hab vor einem Jahr aufgehört zu rauchen, darum laufe ich ja so viel, weil ich so dick geworden bin, nachdem ich aufgehört habe zu rauchen.“
    Ich sagte: „Dann fängst du jetzt besser wieder an zu rauchen, bevor du wieder so dick wirst, spürst du schon was?“
    Er lachte noch nicht, aber immerhin lächelte er schon.
    Ich sagte: „Falls du noch mehr davon willst – am Brunnenmarkt gibt es eine Pizzeria mit Namen Quattro Stazzione, frag dort nach einem gewissen Lemmy und seinem Oregano Speziale , verstanden?“
    ***
    Ich ging zurück zur Leiche. Guttmann zog die Plane von dem Mädchen, die Biene fragte: „Was fällt dir als Erstes an ihr auf?“
    Ich sagte: „Sie ist hässlich.“
    Das war natürlich nicht nett, so etwas zu sagen, auch nicht über eine Leiche, aber es war doch auffällig, wie hässlich sie war. Sie hatte schlechte Haut, eine dicke Brille und vorstehende Zähne. Ihre Haare waren dünn und speckig und blond gefärbt, beim Haaransatz waren sie noch pink. Sie sah alles in allem richtig scheiße aus und wog wenig mehr als ein kleines Kalb, überall quoll das Fett hervor. Sie lag da, als wäre sie beim Laufen nach vorn gefallen, auf ihre mächtigen Titten, die Arme

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