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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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hörte sich nicht ganz so breitbeinig an wie sonst immer, sondern sagte zerknirscht: „Ey, man, I am so sorry for this shit!“
    Was sich leicht sagte, wenn man nicht selbst im Bau saß.
    Wir vereinbarten ein Treffen in einer verdammten Burgerbude in der Nähe des Bahnhofs, als gäbe es keine regionale Küche mehr in der Slowakei, keine Krautrouladen oder Palatschinken.
    Durch dichten Schneefall tuckerte ich dorthin. Ich zählte die Stunden, bis ich wieder in meinem Bett sein würde. Winter und Osteuropa, das war nichts für einen wie mich. Diese grauen Häuser! Dieser graue Dreck! Diese grauen Wolken!
    Ich hatte schon die Hand an der Knarre, ein Schuss, und alle Probleme wären gelöst. Jedenfalls würden die Wolken weiß sein, wenn man den Erzählungen glauben darf.
    Aber ich traute mich nicht.
    Vor der Burgerbude parkte ich mich ein, ich vermisste den roten Firebird mit schwarzer Flamme auf der Motorhaube, den ich von Lovegod gewohnt war, stattdessen stand ein schwarzer Humvee mit roter Flamme um den ganzen Wagen herum da, die Geschäfte schienen also gut zu laufen.
    Ich hatte Lovegod im Sommer kennengelernt, als er mir in einer heiklen Sache mit vier türkischstämmigen Pornoschuppen-Jungs geholfen hatte, die er im Alleingang ordentlich zusammengefaltet hatte, wodurch wir ihren Angriff auf Dirty Willi’s Swedish Pornhouse abwehren konnten, und dann hatte er auch begonnen, Lemmy mit Methamphetaminen zu versorgen. Er und seine Brothas Steel und Concrete, die nicht seine wirklichen Brüder waren, sondern seine Brothas, hatten in Bratislava nämlich den Meth-Markt und den H-Markt im Griff, aber Lemmy lehnte Heroin immer ab.
    Wenigstens Heroin.
    Als ich eintrat, sah ich Lovegod zunächst nicht, ich sah nur ein paar schlitzäugige Vietnamesen, bis ich endlich merkte, dass ich schon dreimal an ihm vorbeigelatscht war. Ihn zu sehen, war dann eine echte Überraschung, aber leider keine schöne.
    Noch vor ein paar Monaten war Lovegod ein Stück glänzender Stahl mit dem Körperfettgehalt eines gut trainierten Leichtathleten gewesen, alleine sein Händedruck konnte dich töten und sein Blick aus tiefen, rot glühenden Augen heraus erst recht. Aber jetzt hatte er einen Sack Fett um den Arsch hängen, auf dem er draufsaß, und einen weiteren um den Bauch, der ihm unter den Tisch hineinhing, und zusätzlich noch zwei schöne Titten vorne dran, die auf keinem Playboy-Centerfold mehr Platz gehabt hätten. Bei dem Berg Futter, den er vor sich auf dem Tisch stehen hatte, und dem ganzen Fett, das ihm von seinen riesigen Händen tropfte, war das kein Wunder. Wie ein beschissener Original-Gangsta aus irgendeiner Kleinstadt in Amerika saß er vor mir auf einer Doppelbank gegen die Mauer gequetscht wie ein Ballon, der gleich abheben würde. Oder platzen. Gegen seinen falschen Pelzmantel nahm sich mein echter bescheiden aus, er hätte es locker mit Zsa Zsa Gabor aufnehmen können, und auch, was den Glanz seines falschen Schmuckes betraf, hinkte er ihr nicht hinterher. Ein paar fette falsche Uhren hingen ihm am Handgelenk, an denen die Zeiger wackelten, wenn er seinen Burger zu seinem unstillbaren Maul führte, und drei dicke Ketten übereinander um den Hals. An ihm war alles falsch, nur das Fett nicht! Und der Schweiß. Iiiiih! Er schwitzte unter seinem falschen Nerz und rückte unruhig auf seinem Arsch herum, auf dem Kopf trug er eine Leopardenmütze wie dieser verrückte afrikanische Despot damals, als er Muhamed Ali zu sich in den Dschungel eingeladen hatte. Wenn ich fett geworden war, was war dann er? Bald würde er einen Gürtel der Marke „Äquator“ brauchen.
    Ich war erschüttert und schämte mich zugleich ein wenig, mit ihm hier überhaupt gesehen zu werden. Ich fragte ihn, ob er mit den ganzen Burgern seine Schuldgefühle hinunterfressen würde, die ihn mit Sicherheit quälten, seit Happiness im Frauenknast saß, Kubelka hatte mir gegenüber mal angedeutet, dass es so etwas wie Schuldgefühle gäbe.
    Aber Lovegod, der nun schon recht gutes bratislavisches Deutsch sprach, redete sich auf seine hartnäckige Verstopfung raus und erklärte mir die Gewichtszunahme so: Früher, in der Streusiedlung, wo sie herkamen, gab es nur Hirse und Mais, aber am Morgen immer einen guten Schiss in irgendein Erdloch hinein. Später, in Lagos, wo sie dann in schlechte Kreise gerieten, gab es zunächst auch nur Hirse und Mais, aber immer noch an jedem Morgen einen guten Schiss in irgendeine Latrine hinein. Das Leben war nicht schön, aber man

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