Dürre Beweise

hoffte wohl, irgendein neuer zuckerhaltiger Softdrink, aber ich sagte: „This makes you slim.“ Da leuchteten seine Augen wie glühende Briketts. Der Mensch neigt ja dazu, sich das Leben möglichst einfach zu machen, und in seinen Augen sah ich nun die Hoffnung, gleichzeitig fressen und abnehmen zu können, wenn er nur immer nach jedem Bissen einen Schluck von dem Saft nehmen würde. Er griff gierig nach dem Fläschchen, öffnete es und kippte den Inhalt, ohne überhaupt zu fragen, was genau drin war, in sich hinein. Dabei wollte ich doch gerade erst erwähnen, dass der Saft bisher noch nicht in großen, repräsentativen Studien klinisch getestet worden war, außer zum Beispiel an mir selbst, und das war damals nicht wirklich gut ausgegangen. Aber sollte ich ihm das jetzt noch sagen, wo es zu spät war?
    Er wischte sich über den Mund und fraß seinen Gigamegadoubleburger weiter, zufrieden sagte er: „Tastes like lemon! Give me more of this shit!“
    Ich erzählte ihm, wo er den Scheiß finden konnte. Gelegenheit macht Diebe, und die Gelegenheit schien mir günstig, dass ein Profi wie Lovegod sich den Schatz aneignete. Er würde die Villa ein paar Stunden oder Tage überwachen, und dann, wenn er sicher war, dass ihn niemand dabei störte, würden er reingehen, und ratzfatz käme er mit dem Zeug wieder heraus. Man würde das gar nicht vergleichen können mit den beiden Idioten, die für ihre fetten Schwestern den Schlankmacher stehlen wollten, und dann mit dem Fernseher rausgegangen waren.
    Damit er auch verstand, was für ein unglaubliches Angebot ich ihm da machte, nahm ich Zettel und Bleistift und rechnete mit ihm alles durch: „Die Dinger kosten dich, wenn du sie im Fernsehen bestellst, 49,99 pro fünf Fläschchen, du brauchst fünf pro Tag, um am Abend ein halbes Kilo weniger auf die Waage zu bringen, wie viel wiegst du gerade?“
    „160.“
    Du lieber Himmel!
    „Dein Wunschgewicht?“
    „80.“
    „Vergiss es! Sagen wir, du willst auf 100 kommen, was ein realistischeres Ziel ist, dann wären das 120 Tage à fünf Fläschchen zu 49,99, macht Daumen mal Pi 6000 Eier, die du dir auf dem Weg zum Wunschgewicht sparst, aber natürlich nur, wenn alles glatt läuft und du nicht zwischendurch irgendwelche Fressattacken kriegst und Fett satt im Gegenwert von 6000 Eiern in dich hineinschaufelst, dann fängt nämlich alles wieder von vorne an.“
    „Yo, man.“
    Alleine zwischen „Yo“ und „Man“ verdrückte er aber drei Hamburger, Sorgen waren also angebracht, dass er die ersparten 6000 wieder in Burger investieren würde. Das ist ein altes Problem beim Abnehmen, und wenn es den Leuten zu gut geht, dann merkt man das zuerst an ihrem Arsch.
    Auch Bratislava war mittlerweile ziemlich verwestlicht, und wo immer eine Gesellschaft verwestlichte, da wurde sie fett. Das war mir schon aufgefallen, als ich in die Stadt eingefahren war. Früher nämlich waren in Bratislava wenigstens die Mädels geil, und manchmal drehte ich vorm Einchecken in die Samenspenderbude mit Lemmy hier noch eine Runde, nur damit er wieder mal eine Ahnung davon kriegte, wie richtige Frauen aussahen – schlank, groß, gut, geil. Lemmy sah, während ihm der Sabber herauslief, beim Seitenfenster hinaus, und ich lehnte mich bei meinem Fenster hinaus und sagte „Na wie geht’s?“ und „Was ist der Preis?“. Und dann fuhren wir wieder zurück nach Wien, und Lemmy hatte Bilder gesammelt, die er beim Wichsen in der Klinik abrufen konnte, während ich Telefonnummern gesammelt hatte, die ich irgendwann mal anrufen könnte, wenn ich das wollte. Aber mittlerweile waren hier alle so fett und letztklassig wie die Mädels in Ronnies Tabledance, und alle zusammen hatten sie immer weniger Platz auf der Straße, auf der sie sich wie die Idioten Richtung Burger-Bude drängten, und das lag nicht nur an Lovegod, obwohl er den anderen natürlich schon eine Menge Platz wegnahm.
    Plötzlich kam mir eine Idee, wie wir aus dem ganzen Schlamassel alle doch noch sehr gut aussteigen könnten, ich sagte: „Hör zu, du Fettarsch. In dieser Praxis liegen sicher ein paar 10 000 Fläschchen. Wenn ihr die Fläschchen hier auf den Markt bringt, dann könnt ihr damit richtig Kohle machen, wenn ihr pro Fläschchen z. B. zwei Euro verlangt, was drei weniger sind als im Fernsehen. Wir reden hier also von ein paar Hunderttausend Euro Gewinn, da du dir ja die Kosten für den Einkauf sparst. Die Fetten hier in den Discos und am Strich werden euch lieben, gerade nach Weihnachten,