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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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verwirrend, dass ich noch einmal nachhaken musste: „Was meinst du?“
    Aber dann kapierte ich langsam.
    Ich wollte noch zurücklaufen und denen sagen, dass sie schnell in der Zelle nachschauen sollten, weil sich da gerade einer an einem grünblauen Schal aufknüpfte, aber Jolanda hielt mich weinend am Ärmel zurück und schrie: „Das geht dich einfach nichts an, Rock!“
    Und wenn man es genau bedachte, dann hatte sie sogar recht.
    ***
    Im Auto schwiegen wir dann die längste Zeit, wir sahen die Lichter über uns leuchten, die sie jetzt überall über die Straßen gespannt hatten, damit dieses wohlig-friedliche Weihnachtsgefühl aufkommen konnte, und dann überholte ich einen Sattelschlepper der Firma Sprudel, auf den groß der rote Weihnachtsmann draufgemalt war mit seinen Rentieren, und – verdammt! –, ich dachte dann wirklich kurz, dass ich da Lovegod mit einer Santa-Mütze am Steuer sitzen sah, als ich hupte und meine Faust in Richtung Führerhaus ausstreckte, weil dieser Idiot mitten auf der Straße fuhr und sich nicht auszukennen schien, verloren wie ein verdammter Afrikaner im strengen mitteleuropäischen Schneetreiben schlingerte der über den Gürtel, so verrückt war ich schon geworden, dass ich den Fahrer für Lovegod hielt.
    Jolanda weinte still vor sich hin, und ich selbst hatte auch gut zu tun, meinen Rotz in der Nase zu halten. Aber als dann Willie Nelson im Radio Angels flying too close to the ground sang, da konnte auch ich nicht mehr an mich halten.
    Dass einer, der bei Dirty Willi in die Schule gegangen war, so weinen konnte, das hätte ich nie für möglich gehalten.
    Guttmann würde ich von der Sache mit dem Schal, den sie bei Ivo gelassen hatte, damit er sich daran aufhängen konnte, natürlich nichts erzählen, darum brauchte Jolanda mich erst gar nicht zu bitten.
    Er hätte sie dafür nämlich einbuchten können wegen Beihilfe zum Selbstmord oder was weiß ich wegen was, und bei einem geschlagenen, enttäuschten Mann wusste man nie, wozu er imstande war.
    Er sollte mit keinem falschen Bild von Jolanda, die so wunderbare Kekse backen konnte, schlafen gehen. Sie war eine Seele von einer Frau, die nicht nur gut kochen konnte, es war auch immer warm bei ihr in der Stube, und das nicht nur, weil sie gut heizte, sondern vor allem, weil sie ein warmes Herz hatte. Alles in allem war sie wie eine Mutter, an deren Titten man richtig gerne nuckelte, und das kam nun wirklich nicht sehr oft vor auf dieser verdammten Welt.
    Ich parkte mich vor dem Hard & Heavy ein, aber Jolanda blieb einfach sitzen und starrte geradeaus auf den Schnee, der sich auf meine Scheibe legte, sie rauchte, und ich rauchte natürlich auch, sodass wir dann schon richtig gut eingeraucht waren. Dann lehnte sie sich plötzlich zu mir herüber und sagte: „Rock, halte mich bitte ganz, ganz fest.“
    Ich tat es, denn was hätte ich verdammtnochmal sonst tun sollen?
    Aber bevor wir hier die falsche Richtung einschlugen, weil ich sie dann doch schon recht lange ganz fest hielt und sie mit ihrem Mund immer näher zu meinem wollte, sagte ich irgendwann: „Soll ich vielleicht Guttmann vorbeischicken? Er ist immerhin Bulle und kann dir vielleicht so ein Gefühl von Sicherheit geben, das du jetzt bestimmt brauchen wirst, vor allem, wenn sie dich anrufen und dir sagen werden, dass sich dein Sohn umgebracht hat. Und dann später beim Begräbnis wirst du auch einen brauchen, der bei dir ist und dich ganz fest hält.“
    Dabei dachte ich insgeheim: Hoffentlich kann er ihr wenigstens ein Gefühl von Sicherheit geben, wenn er ihr schon nicht das Gefühl tausender brummender Bienen im Arsch geben kann, oder das von Schmetterlingen im Bauch, von dem die Frauen ja ein Leben lang träumen.
    Vielleicht waren es ja genau diese skeptischen Gedanken, die Jolanda selbst auch gerade durch den Kopf gingen, als ich von Guttmann redete, und sie sagte: „Nein, das möchte ich nicht, Rock. Ich möchte, dass du bei mir bleibst und mich ganz fest hältst, und zwar für immer.“
    Aber das wollte ich nicht. Es kommt eben ganz selten vor, dass zwei auf der Welt das Gleiche wollen.
    Zwar hatte ich in den letzten Wochen der Prüfung und Einsamkeit immer wieder mal hin und her überlegt, über wen ich gerne drüberrutschen würde, falls Happiness für immer im Bau drüben in Bratislava bleiben musste, und Jolanda mit ihrer Gulaschsuppe und dem ausladenden Arsch war immerhin ins Finale gekommen.
    Aber letztlich mochte ich irgendwie keine Haare auf den Armen, und

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