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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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okay?“
    „Okay.“
    Ich selbst ging zu Jolanda in die Küche, nahm sie am Arm, schaute ihr tief in die Augen und sagte: „Mein Liebes, ich muss dir jetzt leider etwas sehr Trauriges sagen.“
    Sie nahm dann erst mal ihre Schürze ab, wie das Frauen immer tun, wenn sie mit etwas sehr Traurigem rechnen, strich sich den Rock glatt und schaute mich irgendwie gefasst an, als Mutter ist man vielleicht immer auf das Schlimmste und Traurigste gefasst.
    Ich sagte es ihr.
    Wir warfen dann alle Penner und Stinker hinaus, sperrten den Laden für heute zu und setzten uns zu Ku an den Tisch, der gerade irgendwas von „Sigmunds Stangentanz“ auf den Zettel kritzelte.
    Jolanda brachte Plavac und Slibo, und wenn wir ein Großes und Kleines wollten, dann konnten wir uns selbst bedienen, denn ihr fehlte nun irgendwie die Kraft, um ständig hin und her zu laufen.
    Im Winter verliert man ja ein wenig den Sinn für die großen Zusammenhänge. Wenn ich es nämlich recht bedachte, dann war mir der schwarze Audi TT Coupé natürlich längst aufgefallen, der in den letzten Wochen immer vor ihrem Hard & Heavy geparkt hatte, aber es parkten jetzt viele schwarze Geländewagen in der Gegend, und nicht alle gehörten unsympathischen Serben, viele gehörten auch unsympathischen Architektinnen oder Modedesignern oder Spinnern aus den Medien und Freien Berufen. Im Winter war ich obendrein extrem mundfaul, sodass ich sie nie gefragt hatte, wem denn der Wagen eigentlich gehörte, aber jetzt sagte sie es mir: „Er gehörte Ivos Vater.“
    Und dann erzählte sie, dass der in irgendwelche Geschäfte verwickelt war, die zwar nicht ganz koscher waren, aber immerhin so viel abwarfen, dass er dort unten die Nummer eins in seinem Sprengel werden konnte.
    „Es war nach dem Krieg, als ich mit Ivo schwanger wurde, aber dort, wo wir lebten, hat der Krieg nie mehr aufgehört. Ivos Vater hat mich …“
    – Sie zögerte, aber Ku ermutigte sie, es zu sagen: „Na komm schon, spuck’s aus, dann geht’s dir besser!“ –
    „ … vergewaltigt und jahrelang geschlagen.“
    Ich schaute Ku streng an und sagte: „Jetzt siehst du aber mal, dass es nicht immer nur die Mütter sind, die uns alle ruinieren!“
    Aber er blieb dabei: „Und warum schlagen die Männer ihre Frauen? Na weil sie ihre Mütter hassen!“
    Dabei drehte er uns einen schönen Ofen, den wir dann im Kreis gehen ließen, und während wir rauchten, konnte ich Jolanda wenigstens in diesem einen Punkt beruhigen: „Drogen hat dein Ivo nicht verkauft, soviel wir wissen.“
    Dann erfuhren wir noch, dass er unbedingt bei seinem Alten bleiben wollte, nachdem sie das Schwein endlich verlassen hatte und hierhergekommen war. Und zwar, weil der so cool aussah in seiner Military-Uniform und mit der über die Wampe tätowierten AK-47 und den Narben am glatt rasierten Schädel. Was halt seit jeher als schick gilt in Balkan-Kreisen!
    Vor einem Monat hat es Rambo dann bei einer kleinen aber feinen Schießerei erwischt, und jetzt sitzt er im Rollstuhl, weil er vom Hals abwärts gelähmt ist, „wobei ich noch sagen muss“, sagte Jolanda, „dass die dort unten nicht diese modernen Rollstühle haben, die wir hier haben. Das sind mehr so Art Schubkarren aus Holz, und in der kargen Gebirgslandschaft gibt es damit kein Weiterkommen.“
    Der Sohnemann hatte also keine Lust mehr, seinen Alten dort den ganzen Tag lang herumzuschieben und ihm die Windeln zu wechseln, wo er jetzt nicht mehr so cool war, und da fiel dem Nachwuchsspinner nichts anderes ein, als seine Mutti anzurufen und bei ihr im Hand & Heavy anzudocken, irgendwo musste er ja was zu essen herkriegen.
    Das war vor vier Wochen gewesen, ungefähr zu der Zeit, als Guttmann seine Offensive bei ihr gestartet hatte, und Jolanda hatte keine rechte Freude mit dem neuen Gast, auch wenn er ihr Sohn war, denn alles an dem Lümmel schrie nach Ärger – seine Frisur, seine Jacke, seine Hosen und das ganze andere teure Zeug, das er an sich trug, und von dem sich Jolanda nicht erklären konnte, woher er es hatte, ich tippte mal auf Raubzüge in Einkaufszentren.
    Das also war ungefähr die traurige Geschichte, und dann fuhr sie sich mit den gelben, verrauchten Fingern durch die Haare und wischte sich Tränen aus ihren geröteten Augen, weinend haderte sie mit dem Schicksal: „Warum musste er gerade jetzt kommen, wo es doch mit mir und … Ach!“
    Dass Frauen einfach nie einen Satz fertigsprechen können! Aber ich tippte mal scharf, dass sie etwas über sich selbst

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