Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
Kinderwagen zu verfrachten, und ein bisschen mit ihm durch die Gegend zu laufen, aber es regnete. Außerdem wachte er manchmal auf, wenn sie ihn die Treppe hinuntertrug. Diese Wohnung, so nett und zentral gelegen sie auch war, würde sie aufgeben müssen. Sie würde Susanne vermissen, die im Erdgeschoss wohnte, und Andrej in der Wohnung unter ihr. Vielleicht sogar dessen junge Katze, die sie neulich, als ihre Wohnungstür einen Moment offen gestanden hatte, zusammengekuschelt in Felix’ Bettchen erwischt hatte.
Die gemeinsame Wohnungssuche mit Hinnerk hatte sich zu einem Desaster entwickelt. Möglicherweise würde es jetzt, da sie allein entscheiden konnte, einfacher? Außerdem hatte sie ein geringeres Budget zur Verfügung, was die Auswahl automatisch stark einschränkte, dachte sie ironisch. Pia legte ihr Notebook unter einem Stapel frisch gewaschener Wäsche frei. Die Wohnungsannoncen würden ihr nicht weglaufen. Da sie schon mal online war, konnte sie zuerst noch etwas nachschauen.
Ein lausiger Abend. Ralph Krispin warf einen Blick aus dem Fenster. Er konnte ein Stück vom Kirchhof sehen, wo die Nebelschwaden zwischen den alten Eisenkreuzen hingen wie in einem kitschigen Vampirfilm. Dahinter führte die schmale Straße an Monas Kate vorbei zum Dorfplatz. Alle Fenster waren dunkel. Er ließ den Vorhang wieder zufallen. Nicht, dass doch noch jemand sah, wie er hier stand und hinausstarrte. Seine Nachbarin Mona war zwar nicht da, um Protokoll über jede seiner Bewegungen zu führen, aber unbeobachtet fühlte er sich trotzdem nicht.
Er lockerte seine Schultern. Ob sie wohl kommen würde? Bei Cindy wusste man das nie so genau. Das war eine Frage von anderen Werten, hatte er erkannt. Er musste lernen, geduldiger zu sein. Von allen Herausforderungen, die das Leben als Pastor in diesem Ort an ihn stellte, war Geduld eine der schwierigsten.
Es klingelte. Einmal kurz, dann noch mal, länger und nachdrücklicher. Nur keine Aufregung. Er hatte alles im Griff.
»Mensch, ich dachte schon, es macht nie jemand auf. ’n Abend, Herr Pastor!« Cindy, in Leoparden-Kunstfelljacke, knappem, neongrünem Minirock und hohen Stiefeln, betrat die Pfarrhausdiele.
Ralph Krispin hielt bei ihrem Anblick unwillkürlich die Luft an. »Hallo, Cindy. Schön, dass Sie da sind!«
»Das erste Mal, dass wir uns hier bei Ihnen treffen, was? Sozusagen ’ne Premiere.« Sie sah sich um wie ein Kind, das versucht, einen Blick auf den geschmückten Weihnachtsbaum zu erhaschen. »Ganz schön trostlos, der Kasten! Da fehlt ein bisschen Farbe.«
»Nun ist ja Farbe da.« Er lächelte, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Cindy trug ihr Haar jetzt pinkfarben eingefärbt. Platinblond hatte sie ihm besser gefallen. Dieser Hauch von Unschuld, an den er so gern glauben wollte.
» Wo soll’s hingehen? Ich bin etwas in Eile.«
Ralph Krispin spürte einen Stich der Enttäuschung. Sie hatte offensichtlich nicht viel Zeit für ihr Treffen veranschlagt. Er hatte sich den ganzen weiteren Abend freigehalten.
Cindy blickte mit großen, runden Augen von Tür zu Tür.
»Dort hinein, bitte.« Er deutete auf den Durchgang zum Pfarrbüro. Erst hatte er überlegt, sie in sein privates Wohnzimmer zu führen. Dort saß man bequemer. Aber er wollte nicht, dass sie auf falsche Gedanken kam.
Cindy bewegte sich langsam und mit wiegenden Schritten vorwärts. Wenn sie einen Fuß mit dem bleistiftdünnen Absatz auf den Fliesenboden aufsetzte, zitterte ihr Fußgelenk hin und her. So, als müsste sie erst Halt finden, bevor sie ihr Gewicht darauf verlagern konnte.
Im Pfarrbüro steuerte Cindy auf den einzigen bequemen Sitzplatz zu, den wuchtigen Lederstuhl hinter seinem Schreibtisch. Sie warf sich darauf und schlug die Beine übereinander. Ihr Rock rutschte noch ein Stück gen Hüfte.
Ralph Krispin sah weg. In ihrem Wohnmobil mit ihr zusammen zu sein, an ihrem Arbeitsplatz, war ihm natürlicher erschienen. Er ließ sich auf der Kante seines Schreibtisches nieder. Sie aufzufordern, sich mit ihm an den Tisch zu setzen, kam ihm unpassend vor. Cindy lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, sodass sich ihre schweren Brüste hoben, und sah ihn erwartungsvoll an.
»Wie ernst ist es Ihnen mit Ihrer Taufe, Cindy?«, fragte er.
»Ich habe gestern ein paar neue Informationen über den Tatort gefunden«, erklärte Pia, als alle Kollegen, die in die Ermittlungen im Fall Falke involviert waren, zur Frühbesprechung eingetroffen waren. Sie hatte den Beamer
Weitere Kostenlose Bücher