Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
an.
»Unsinn«, wehrte sie ab. »Ich wäre nur gern informiert.«
»Da bist du bei mir natürlich goldrichtig. Der Mann war vor ein paar Monaten schon mal hier. Muss gewesen sein, kurz nachdem du verschwunden bist. Er hat uns ein stundenlanges Referat über organisierte Kriminalität gehalten. Lessing arbeitet in Wiesbaden in der Abteilung SO . Schwere und Organisierte Kriminalität.«
So viel wusste sie schon. »Und was will er schon wieder hier?«
»Er ist an einem Mann namens Vadim Droski und noch ein paar anderen interessiert. Offenbar eine Manie von ihm. Eine staatlich sanktionierte Manie.«
Pia lehnte sich gegen den Türrahmen und legte den Kopf schief. »Er ist auch hinter einem Mann namens Fjodor Markow her, nicht wahr? Dem Bruder von Oxana Markowa, die wir in Düsterbruch befragt haben. Nach dem hat er mich damals schon gefragt.«
»Du bist ihm damals auch schon begegnet? Freu dich. Du leidest nicht unter postnataler Demenz oder einem Still-Trauma oder so. Die Kollegen vom BKA ›beobachten Markows Aktivitäten‹, wie sie es formulieren. Man könnte ihn auch als Oligarchen bezeichnen. Er steht angeblich mit Leuten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität in Verbindung.«
»Lessing hat mir gegenüber mal so was angedeutet.« Pia kam es so vor, als wäre das Ewigkeiten her.
»Lessing und seine Leute hatten beim ersten Mal, als sie hier waren, gehofft, dass sich zur Hochzeit der Markowa ein großer Teil der Sippe in Düsterbruch einfinden würde, einschließlich Fjodor Markow selbst.«
»Aber der Hochzeitstermin ist wegen des Selbstmords der Mutter geplatzt.«
»Genau. Doch jetzt ist André Falke ermordet worden, noch dazu auf recht spektakuläre Art und Weise. Und Franz-Xavier Lessing steht wieder auf der Matte. Nun kommst du.«
»Demnach vermuten die, dass der Mord an Falke mit organisierter Kriminalität in Verbindung steht?« Pia beobachtete, wie Broders einen der zwei Kaffeepads aus dem Filter entfernte und die Klappe herunterdrückte. Er betätigte den Start -Knopf, und der Kaffeeautomat setzte sich brummend und zischend in Betrieb. Dann sah Broders zu ihr hinüber und nickte grimmig.
»Passen würde es schon … die Methode meine ich«, überlegte Pia laut.
»Lessing ist bestimmt erpicht darauf, sein eigenes Team auf den Fall anzusetzen. Seine Leute nennen ihn übrigens Nathan. Ein Kosename aus seiner Zeit bei der Bundespolizei. Ich hab’s aus geheimer Quelle.«
»Wie bitte?«
»Da kannst du ja mal drüber nachdenken.«
Lessing – Nathan? Längst Vergessenes aus dem Deutschunterricht schwappte kurz an die Oberfläche. Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing. Na, toll. »Aber Lessing fehlt die komplette Vorgeschichte aus Düsterbruch«, wandte sie ein.
»Wohl wahr.« Broders zog die gefüllte Tasse aus dem Automaten. »Pia, bevor ich es vergesse: Du musst heute auf meine erfrischende Gesellschaft verzichten. Ich zieh gleich wieder mit Wohlert los.«
»Was habt ihr vor?«
»Gabler hat uns dazu eingeteilt, im Bereich Outdoor-Sex ein paar Nachforschungen anzustellen. Vielen Dank auch dafür.«
»Oh, gern geschehen.«
»Ich bin ja bekanntlich Experte für perversen Hetero-Sex!« Er verschwand, ohne sie noch einmal anzusehen.
»Viel Spaß«, rief Pia ihm hinterher. Mit welchem Aspekt der Ermittlungen würde sie dann heute betraut werden? Sie hatte die Internet-Seite schließlich entdeckt. Na, vermutlich würde die Recherche nicht so spannend werden. Sie warf dem Kaffeeautomaten einen begehrlichen Blick zu, dachte dann an die wachen Augen ihres Sohnes – nachts um halb drei – und verließ die Kaffeeküche.
12. Kapitel
P ia hatte die Aufgabe übernommen, endlich mit Mona Falke in Kontakt zu treten, um sie über den Tod ihres Sohnes zu informieren. In den vergangenen Tagen hatten sie immer wieder vergeblich versucht, sie in ihrem Haus in Düsterbruch zu erreichen. Gegebenenfalls mussten sie nun erst mal ihren Aufenthaltsort ausfindig machen. Ohnehin standen noch ein paar informative Gespräche im Dorf an. Lessing begleitete Pia nur »interessehalber« und um Oxana Markowa mal persönlich kennenzulernen, wie er sagte.
Düsterbruch präsentierte sich an diesem späten Novembervormittag mit dem spröden Charme Norddeutschlands im Herbst. Diese Reize würden Uneingeweihten wohl ewig verborgen bleiben. Die Welt jenseits geteerter Straßen versank im Schlamm.
»Düsterbruch – der Name ist wohl Programm«, sagte Lessing dann auch, als er seine langen Gräten aus dem Auto
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