Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
irgendwelche Perverse ist. Spontaner Gruppensex und so.« Er schnaubte verächtlich. »Schauen Sie sich mal den Müll an, der nach so einem Wochenende dort rumliegt. Die machen ihren Dreck nicht wieder weg!«
»Könnte André Falke etwas mit den Leuten dort zu tun gehabt haben?«
»Keine Ahnung! Seit er von hier weggezogen ist, weiß ich nur das, was Mona über ihn erzählt. Ihr Goldjunge schwamm angeblich auf einer Welle des Erfolgs. Wenn man allerdings anderen Gerüchten Glauben schenken darf …«
»Was für Gerüchten?«
»Entweder war André Falke im Bau, oder er ist noch mal auf Bewährung davongekommen. Der hatte mal was mit Drogen zu tun. Die Verlockung des schnellen Geldes.«
»Wer sagt das?«
Jörg zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht mehr. Hab mal so was läuten hören. Stimmt es etwa nicht?«
»Wo waren Sie am vergangenen Sonntagabend, Herr Seesen?«
»Sie fragen, ob ich ein Alibi habe?« Er sah Pia starr in die Augen. »Am Sonntagabend war ich die ganze Zeit hier.«
»Kann das jemand bestätigen?«
»Natürlich. Oxana ist an dem Abend auch zu Hause gewesen. Ich war in meinem Büro, um Papierkram zu erledigen. Sie hat ferngesehen.«
Oxana Markowa bestätigte die Aussage ihres Mannes kurz darauf. Sie konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, was sie an dem fraglichen Abend gesehen hatte.
Pia fand das nicht weiter ungewöhnlich. Ihr Fernseher zu Hause flimmerte auch manchmal nur so vor sich hin, ohne dass sie auf das Programm achtete. »Könnte einer von Ihnen, rein theoretisch gesprochen, das Haus verlassen haben, ohne dass der andere es gemerkt hat?«
»Eigentlich nicht.« Oxana Markowa sah verunsichert aus. »Ich hätte es gehört, wenn Jörg noch mal weggegangen wäre.«
»Vom Wohnzimmer aus?« Wenn Pia sich von ihrem ersten Besuch im Hause Seesen recht erinnerte, lag der Raum auf der anderen Seite des Hauses, vom Arbeitszimmer immerhin durch zwei Türen und den langen Flur getrennt.
»Ich war nicht im Wohnzimmer«, sagte Oxana. Sie sah auf ihre schlanken Hände herunter, die auf der Tischplatte lagen. »Ich war an dem Abend ziemlich müde und bin schon früh ins Bett gegangen. Im Schlafzimmer steht ein zweiter Fernseher.«
Pia machte sich eine Notiz. Oxana kaute auf ihrer Unterlippe. Sie biss einen winzigen Hautfetzen ab, und der Riss fing an zu bluten. Sie stand auf, um ein Papiertaschentuch aus einem Regal über der Küchenzeile zu holen. Mit einem Mal sah sie sehr jung aus.
Lessing räusperte sich. »Ist jemand aus Ihrer Familie oder von Ihren Freunden da, der Sie in dieser schwierigen Situation unterstützt?«
»Bin ich in Schwierigkeiten?« Oxana drehte sich um und lächelte gezwungen. »Eine Freundin von mir ist hier. Sie wohnt aber im Hotel. Ich verstehe nicht, was das mit dem Mord zu tun haben soll.«
Lessing blieb ihr die Antwort schuldig.
»Das war also Oxana Markowa«, sagte Pia, als sie zurück zum Auto gingen. »Hast du was Neues über die Markows erfahren, Lessing?«
»Nichts, was ich nicht sowieso schon wusste. Aber es war schön, Oxana Markowa mal persönlich kennenzulernen. Jörg Seesen scheint mir ein echter Glückspilz zu sein.«
Die Begegnung mit der Frau hatte Lessing ja geradezu redselig gemacht. »Was hältst du von der Beziehung zwischen Seesen und der Markowa? Was verbindet die beiden?«, fragte Pia.
»Hm, mal abgesehen davon, dass beide auf ihre Art recht attraktiv sind, ist es wohl der Reiz des Fremdartigen. Bei Oxana Markowa kommt hinzu, dass sie vermutlich so etwas wie Stabilität und Ruhe in ihrem Leben sucht.«
»Hatte sie das vorher nicht?«
»Kaum«, sagte Lessing nur. Da war sie wieder, die Nachrichtensperre.
Pia sah ihn direkt an. »Und ich hatte gedacht, du wolltest von ihr etwas über ihren Bruder in Erfahrung bringen.«
»Nur nicht mit der Tür ins Haus fallen«, meinte Lessing. »Als Nächstes reden wir mit der Freundin. Kennst du die schöne Nadja Glebowna schon?«
13. Kapitel
N adja Glebowna Ivanova logierte in einem herausgeputzten Landgasthof in einem Nachbarort von Düsterbruch. Ein Schild an der Straße zeigte das Vorhandensein freier Fremdenzimmer an, und die großzügige Parkfläche neben dem Haus war fast leer.
Pia und Lessing betraten das Haus durch eine mit Säulen flankierte Eingangstür. Braun verglaste Butzenscheiben schirmten die Eingangshalle vor dem Tageslicht ab. Am Empfang brannte eine kleine Leuchte mit grünem Schirm. Sie ließen sich mit Nadja Ivanovas Zimmer verbinden und verabredeten sich mit ihr im
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