Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
konnte sich nicht entschuldigen, konnte die Worte nicht in Gegenwart der anderen aussprechen. Sie konnte nur in sein betont ausdrucksloses Gesicht aufblicken und wünschen, Jack würde den Abzug betätigen. Sie bezweifelte, dass Ken es sich gestattete, allzu leicht verletzt zu sein, aber ihre bissige Bemerkung hatte ihn getroffen. Er ließ es sich überhaupt nicht anmerken, doch Jack hatte es sich anmerken lassen, und das schien noch schlimmer zu sein. Es war, als hätte ihre gedankenlose Bemerkung Ken so tief getroffen, dass er seine Reaktion nicht zeigen konnte.
Er war ihr Feind. Sie wiederholte die Worte immer wieder, während der Arzt den Tropf und den Katheter entfernte. Währenddessen sah sie Ken fest in die Augen und nahm jede Einzelheit wahr, ihre Form, die dichten dunklen Wimpern, die einen starken Kontrast zu seinen schimmernden silbernen Augen bildeten. Sie nahm eine latente Sinnlichkeit wahr, aber sie wusste, dass dieses Gittermuster auf seinem Gesicht alles war, was die meisten Menschen jemals sehen würden.
»Was hat meine Schwester gesagt, als sie dich gesehen hat?« Sie flüsterte die Worte, denn sie musste es unbedingt wissen; ihr war klar, dass ihre Frage falsch gedeutet werden würde, aber die Antwort würde ihr die Wahrheit verraten, ihr die Dinge sagen, die sie wissen musste, um ihren Kurs weiterzuverfolgen. Sie konnte sich nicht täuschen, was Brionys Charakter anging.
»Du verdammtes Miststück«, zischte Jack und trat aggressiv
einen Schritt vor. »Halt den Mund, verflucht nochmal, bevor ich dafür sorge, dass du es tust.«
Ken schnitt seinem Zwillingsbruder mit einem geschmeidigen Schritt den Weg zu ihrer Trage ab, und sie war ziemlich sicher, dass Jack ihr nur deshalb nicht den Kolben seiner Waffe über den Schädel zog.
»Briony scheint es nie zu bemerken, außer wenn ein anderer es merkt, und dann entwickelt sie den Beschützertrieb einer Tigermama«, antwortete Ken. »Stört es dich so sehr?« Sie hätte Ja sagen sollen. Sie musste sich dringend schützen, sich eine Art Rüstung zulegen und Distanz zwischen ihnen herstellen, aber die Lüge wollte ihr nicht über die Lippen gehen. »Nein.«
Jack holte Atem und stieß ihn wieder aus, zog seine Waffe zurück und wandte sich ab. »Doc, Ihnen geht die Zeit aus. Tauchen Sie unter, bis Sie mit dem Bescheid kontaktiert werden, dass Ihnen nichts mehr passieren kann. Sie kennen die Routine. Danke für all Ihre Hilfe, und ich entschuldige mich wegen des Messers. Ich hatte ihre Fähigkeiten unterschätzt.« Er durchbohrte sie mit seinem Blick. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
Sie erwiderte seinen Blick. »Natürlich wird es wieder vorkommen. Du bist ein großer Höhlenmensch, und ich bin nichts weiter als das kleine Frauchen, zu dumm, um zu wissen, wie ich mich allein durchschlage.«
Jack verließ den Raum, folgte dem Arzt zu dem Hubschrauber und ließ sie mit Ken allein. Der Raum kam ihr sofort zu klein vor, zu intim.
»Hör auf, den Tiger zu reizen«, sagte Ken. Er legte seinen Arm um ihren Rücken und gab ihr wieder kaltes Wasser zu trinken. »Wir bleiben nur etwa eine Stunde hier, gerade lange genug, damit du dich ausruhen kannst.«
»Er hält sich nur für den Tiger. Du bringst alle dazu, es zu glauben, stimmt’s?« Sie stellte es als Vermutung hin, doch sie wusste, dass es der Wahrheit entsprach.
»Bilde dir bloß keinen Moment lang ein, Jack würde nicht auf dich schießen. Er ist kein Schmusekätzchen«, sagte Ken.
»Vielleicht nicht.« Es mochte sein, dass Jack der Stille von beiden war, der Nüchterne, aber Ken wiegte den Feind in täuschender Sicherheit. Er lächelte öfter als Jack, doch das Lächeln erreichte nie seine Augen. In seinem Innern lauerte etwas, still und wachsam und so ungemein gefährlich, dass ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug. »Aber du bist es auch nicht.«
Ken beobachtete, wie sich ihre Kehle bewegte, als sie das Wasser schluckte. Er konnte sich kaum davon abhalten, sich hinunterzubeugen und diese empfindliche Stelle mit seiner Zunge, seinen Zähnen und seinen Fingern zu berühren. Er lechzte danach, sie zu schmecken. Ihr ein Brandzeichen aufzupressen. Sie vor dem Rest der Welt als seinen Besitz zu kennzeichnen. Und dieses Bedürfnis ekelte ihn an. Er hatte sein ganzes Leben lang Gefahren ins Auge geschaut, doch diese Frau stellte für ihn persönlich eine größere Bedrohung dar, als es tausend Gewehre jemals getan hatten. Sie würde ihm seine Ehre und seine Selbstachtung nehmen und aller Welt
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