Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Krake, doch mit einer geschmeidigen Bewegung wich er mir aus und schnappte sich das Fläschchen mit den Zähnen.
»Nein!«, keuchte ich, als das Biest gewandt wieder auf das Kajütendach sprang. Ich blickte hinüber zu Elizabeth. »Alles in Ordnung?«
»Er will das Elixier für Polidori!«, rief sie. »Sieh doch, wie er es im Maul hält!«
Auch ich sah, wie die teuflische Bestie das Fläschchen nicht etwa zerkaute, sondern es vorsichtig mit der Zunge auf eine Seite schob. Er war so böse und schlau, wie es zu dem Vertrauten eines Hexers passte. Er hatte vor der Feuerstelle gesessen, gebannt von der Stimme seines Meisters, die sich den Kamin emporschlängelte, und hatte seine Befehle entgegengenommen.
Krake blickte sich nach allen Seiten um, als wolle er entscheiden, in welcher Richtung das Land am nächsten war.
»Er will springen!«, schrie ich. »Elizabeth, nimm das Ruder!«
Blind vor Panik und Wut, stürzte ich mich wieder auf den Luchs, wohl wissend, dass er mich mit Zähnen und Klauen bekämpfen würde. Aber auch ich hatte Zähne und Klauen und würde sie ebenfalls gebrauchen.
Krake schien meine blutrünstige Entschlossenheit zu spüren und sprang auf den Bug zu. Ich hechtete hinter ihm her.
Henry war als Erster bei dem Luchs und warf sich mit dem ganzen Körper über ihn. Krake fauchte und kratzte, dabei fiel ihm das Fläschchen aus der Schnauze und rollte über das Deck nach steuerbord. Entsetzt sah ich, wie es gegen die niedrige Reling schlug. Ein ordentliches Schlingern des Bootes würde es in den See befördern.
Henry versuchte alles, um Krake am Hals zu fassen zu bekommen, doch der Luchs machte sich plötzlich dünn und schlüpfte ihm aus den Armen. Wild blickte der Luchs um sich. Ich verfluchte mich dafür, Zeit vergeudet zu haben, und stürzte mich auf das Fläschchen. Doch der Luchs kam herangeflitzt und nahm es erneut in die Schnauze … und sprang in das schwarze Wasser.
Mir blieb nur noch die Zeit, »Beidrehen!« zu brüllen, ehe ich mich selbst über die Reling stürzte. Es war, als würde ich in der Nacht versinken, so seidig und dunkel war es unter der Oberfläche. Ich tauchte auf, trat Wasser und sah mich suchend nach Krake um.
»Wo ist er?«, rief ich zum Boot zurück.
»Da! Da!«, schrie Henry mit ausgestreckter Hand.
Ich schaute in die Richtung und erblickte die glatte Wölbung von Krakes Kopf, so dicht über dem Wasser, dass man ihn kaum sehen konnte. Er schwamm mit überraschender Geschwindigkeit und ich machte mich mit kräftigen Bewegungen von Armen und Beinen an die Verfolgung. Nach dem eisigen Teich der Quastenflosser spürte ich die Kälte kaum.
Im Mondlicht sah ich, wie Krake mir davonschwamm.
Mein Mut verließ mich, und ich merkte, wie mich großes Elend überkam und mich noch weiter schwächte. Wir hatten das Elixier verloren. Wir hatten versagt. Ich hatte versagt.
Dann hörte ich das leise Plätschern eines sich durchs Wasser bewegenden Schiffsrumpfes, blickte mich um und sah das Boot an mir vorübergleiten, Elizabeth am Ruder und Henry spähend im Bug, auf Verfolgungsjagd nach Krake. Und dann, als sie auf selber Höhe mit ihm waren, nahm Elizabeth den Wind aus den Segeln. Ich sah, wie sie sich niederbeugte und ein Fischernetz auswarf. Es flog wunderschön, entfaltete sich im Mondlicht und ließ sich wie ein riesiges Spinngewebe auf dem Wasser nieder.
»Wir haben ihn!«, schrie sie. »Henry, hilf mir ziehen!«
Im Netz tobte Krake herum, als sie ihn zum Boot hievten. Dieser Anblick machte mir Mut, und ich schwamm kräftig, wobei ich den Schmerz in meiner Hand kaum noch wahrnahm. Elizabeth und Henry zogen Krake an den Bootsrumpf heran und banden das Netz so an den Steuerbordklampen fest, dass der Luchs dicht über der Wasseroberfläche hing.
Atemlos erreichte ich das Boot und Henry half mir an Bord. Elizabeth holte noch ein paar Laternen und zündete sie an, damit wir den triefend nassen Luchs richtig sehen konnten, der uns aus seinen grünen Augen heimtückisch betrachtete.
»Er hat das Fläschchen noch. Es ist nicht zerbrochen!«, rief Elizabeth.
Ich sah es auch in der Schnauze des Luchses, als er uns hasserfüllt anjaulte.
»Holt ihn an Bord«, sagte ich, weil ich fürchtete, er könnte es in den See fallen lassen.
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Henry, doch dann zog er ihn zusammen mit Elizabeth und mir heraus.
Krake stürzte neben dem Steuer auf den Boden, zappelte und fauchte. Er konnte nicht viel ausrichten, so wie er in das Netz verstrickt war. Wir
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