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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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letzten Kräfte raste ich weiter, flitzte an den Wachsoldaten vorbei, durch den Torbogen und auf den breiten Kai hinaus. Große Schiffe knarrten an ihrer Vertäuung, zeichneten sich gegen den dunklen Himmel ab.
    Ich eilte weiter zum Bootshafen, wo die kleineren Schiffe angedockt waren. An den Anlegeplätzen herrschte ein ziemlicher Betrieb. Die einen Seeleute gingen an Bord, die anderen verließen ihre Schiffe. Diejenigen, welche die Nacht in der Stadt verbringen wollten, hatten nur noch wenige Minuten, um hineinzukommen. Aber nicht, dass es im Hafen keine Gesellschaft gegeben hätte. Überall brannten Kohlepfannen, Schreie und Pfiffe waren zu hören und das schrille Lachen der Frauen, die ihre Dienste anboten. Wir drei sahen inzwischen aus wie Straßenkinder und passten gut dazu, besonders ich mit meinem rußverschmierten Gesicht, dem angesengten Haar und den blutigen Bandagen an der Hand.
    Im Bootshafen entdeckte ich ein kleineres Boot, das gerade festgemacht hatte, und ich jubelte innerlich auf. Zwei Fischer luden ihren Fang aus. Schnell war ich bei ihnen.
    »Ich brauche Ihr Boot für eine Nacht«, sagte ich keuchend. »Nennen Sie mir bitte Ihren Preis.«
    Sie sahen mich an, als wäre ich geistesgestört, bis sie meinen Geldbeutel sahen. Ich schüttete ein Häufchen Silbermünzen in meine Hand.
    »Genügt das?«, fragte ich.
    Sie sahen einander vielsagend an, denn sie wussten genau, dass dieser Betrag nahezu ihr ganzes Boot wert war.
    »Wer sind Sie?«, fragte einer der beiden.
    »Ist der Handel abgeschlossen?«, fragte ich.
    »Sie können damit umgehen?«, wollte er wissen.
    »Aber sicher.«
    Ich ließ die Münzen in seine Hand gleiten und schloss seine Finger darum. »Ich bringe es morgen gegen Abend zurück«, versprach ich und ging an Bord. »Henry, Elizabeth, wir haben nicht viel Zeit.«
    Es gab noch etwas Hektik und Verwirrung, da die Fischer ihren Fang noch nicht ganz entladen hatten. Henry und Elizabeth halfen ihnen, während ich die Signalfeuer wieder entzündete und das Boot zur Abfahrt bereit machte.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte mich einer der Fischer.
    »Nach Bellerive.«
    »Dann haben Sie den Wind im Rücken«, sagte er und stieß uns von der Anlegestelle weg. »Falls Sie rechtzeitig aus dem Hafen kommen.«
    »Segel aufziehen!«, rief ich Henry zu. »Elizabeth, den Klüver!«
    Während sie an den Tauen arbeiteten, stand ich am Ruder und stellte das Hauptsegel ein, damit das Boot den Wind optimal aufnehmen konnte.
    »Hauptsegel ist oben!«, rief Henry.
    »Nun voraus, Henry!«
    »Klüver ist oben«, sagt Elizabeth.
    Sie war eine gute Seglerin, und ich wollte sie bei mir haben, damit sie das Focksegel einstellen konnte.
    Der Mond schien zum großen Glück hell und versilberte alles. Ich stand am Ruder und steuerte das Boot problemlos aus dem Bootshafen in den großen Hafen. An seiner Ausfahrt ragte auf jeder Seite ein Turm auf, wo jeweils ein Feuer brannte und die Wachen zu Silhouetten werden ließ.
    In diesen Türmen befanden sich die riesigen Winden, mit denen die Ketten angehoben wurden. Vater hatte Konrad und mich einmal mitgenommen, damit wir die großen Ankerwinden anschauen konnten. Fünf Männer wurden benötigt, um sie zu drehen und die beiden Ketten, die voller Seegras waren, vom Grund des Sees zu heben. Wenn die Männer mit ihrer Arbeit fertig waren, spannten sich die Ketten über der Hafenausfahrt, die eine etwa ein Meter über dem Wasser, die andere in fünf Metern Höhe.
    Diese Ketten waren stark genug, um auch den Mast viel größerer Schiffe als dem unseren zersplittern zu lassen.
    Im Nu bekamen wir vollen Wind, und ich gab Anweisung, mehr Segel zu setzen. Voller Genugtuung und mit wachsender Hoffnung registrierte ich, wie sich unser Bug tiefer ins Wasser drückt.
    Aus der Entfernung rief ein Wächter von einem der Türme: »Abdrehen! Abdrehen!«
    Ich hielt den Kurs.
    »Sie geben uns Zeichen!«, rief Henry vom Bug. Ich wusste, dass die Männer in beiden Türmen die Ankerwinden drehten, doch ich wusste auch, dass uns noch ein paar Minuten blieben, bis sich die Ketten hoben.
    Wir liefen vor dem Wind, das Wasser strudelte an uns vorbei. Ich steuerte auf die Mitte der Hafenausfahrt zu, denn dort würden die Ketten zuletzt die Wasseroberfläche durchbrechen.
    »Am Ufer kann ich sie schon sehen!«, schrie Henry. »Victor, dreh ab! Wir laufen sonst auf!«
    Ich tat es nicht. »Elizabeth, kümmere dich um das Focksegel!«
    Sie gab noch etwas Leine, und ich konnte spüren, wie das Boot

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