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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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und in einem anderen kurzen Gang ein Schlafzimmer und ein kleines Wasserklosett, von dem ein leicht unangenehmer Geruch ausging.
    Am Ende des Gangs kamen wir zu einer sehr schmalen Tür, kaum breit genug für Polidoris Rollstuhl. Er fuhr hindurch, und im Licht seiner Kerze konnte ich erkennen, dass er sich in einem Raum befand, der kaum geräumiger war als ein großer Schrank.
    »Ich denke, wir passen alle rein«, sagte er. »Kommen Sie.«
    »Ist das Ihre Werkstatt?«, fragte ich verwirrt.
    »Das ist der Weg zur Werkstatt«, antwortete er. »So eine Art Speiseaufzug. Ich nenne es einen Fahrstuhl. Den habe ich nach meinem Unfall einbauen lassen.«
    »Wie raffiniert«, bemerkte Elizabeth und trat in den großen Kasten.
    »Ist der auch … stabil genug?«, fragte Henry zögerlich.
    »Ich benutze ihn jetzt schon länger als zehn Jahre.«
    »Und er trägt auch das Gewicht von uns allen?«
    »Ja, junger Herr, das tut er.«
    Ich betrat den Fahrstuhl ebenfalls, gefolgt von Henry, und dann drängten wir drei uns um den Rollstuhl, wobei der Boden bedrohlich unter unseren Füßen ächzte.
    »Krake, ich fürchte, du musst oben warten«, sagte Polidori zu seinem Luchs.
    Ohne zu zögern, sprang die Katze von seinem Schoß, setzte sich draußen vor die Tür und fing an, sich gemächlich die Pfoten zu lecken.
    An jeder Seite des Eingangs befand sich eine Doppelschiebetür, die Polidori dicht zuzog und uns so in dem Beförderungsmittel einschloss.
    »Vom Gang sieht es aus, als ginge es hier nicht weiter«, sagte er und gab mir die Kerze. »Wenn Sie die bitte halten würden.« Mit beiden Händen packte er eines der Seile, die von der Decke des Fahrstuhls herabhingen.
    »Ein einfaches System von Flaschenzügen«, erklärte Polidori, zog an dem Seil, worauf der Fahrstuhl nach unten ruckelte.
    Polidoris Kraft musste beachtlich sein, um das Gewicht von uns vieren langsam hinabzusenken. Als wir tiefer kamen, wehte uns ein feuchtkalter Geruch entgegen. Ich blickte kurz zu Elizabeth hinüber und sah ihre Augen, die im Kerzenlicht beschwingt zu tanzen schienen.
    »Das führt doch zum Keller hinunter, oder?«, fragte Henry nach. Er sah etwas blässlich aus.
    »Ein Keller unter dem Keller«, antwortete Polidori. »Ich habe ihn nach meinem Unfall extra graben lassen. Man kann ihn nur mit diesem Fahrstuhl erreichen.«
    Langsam schwebten wir an den Balken des Fußbodens vorbei, an einem Unterbau aus Stein, dann Backstein und dann wieder gröberem Gestein, bis schließlich keine Wand mehr da war.
    Vor uns öffnete sich ein Keller und dann kam der Fahrstuhl zum Halt.
    Polidori rollte sich hinaus und zündete mit seiner Kerzenflamme mehrere Kerzen an. Der Keller wirkte so groß wie alle seine Räume oben zusammen. Mir fiel auf, dass alle Regale, anders als im Laden, nur bis zu der Höhe gebaut waren, die Polidori von seinem Rollstuhl aus erreichen konnte. Verschiedene Arbeitstische waren beladen mit mehr Fläschchen, Gefäßen und Geräten, als ich jemals gesehen hatte.
    Polidori musste meine Gedanken erraten haben, denn er sagte: »Meine Arbeiten erledige ich lieber hier unten als in den oberen Räumen. Wenn man einmal wegen Zauberei verklagt und mit dem Tod durch den Strang bedroht worden ist, wird man vorsichtiger. So, und jetzt wollen wir da hinübergehen.«
    Er führte uns zu einem langen, schmalen Tisch, auf dem mehrere Schalen – vielleicht aus Zinn oder Zink – standen.
    »Junger Herr«, sagte er zu mir, »würden Sie bitte diese drei grünen Gefäße holen«, und deutete darauf. »Und Sie«, wandte er sich an Henry, »sammeln bitte die Kerzen ein und bringen sie hierher zum Tisch.«
    Seine Stimme und sein Verhalten waren plötzlich voller Autorität, und schnell taten wir, worum er uns gebeten hatte. Über jede Kerze stülpte er eine spezielle Laterne aus rotem Glas. Plötzlich war der Keller in ein gespenstisches, rot glühendes Licht getaucht.
    Vorsichtig öffnete er die grünen Gefäße, eines nach dem anderen, goss eine bestimmte Menge daraus in eine Flasche und dann in eine der Metallschalen vor ihm. Nun war der Boden der Schale dünn mit einer im Licht der Laternen roten Flüssigkeit bedeckt.
    Es hätte sehr gut Blut sein können.
    »Das brauchen wir später«, sagte Polidori und schob die Schale auf dem Tisch nach hinten. Aus einer Schublade holte er eine dicke Instrumententasche aus Stoff und öffnete sie neben dem Band von Paracelsus. In der Tasche war eine beachtliche Anzahl von Instrumenten angeordnet, die auf den ersten Blick

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