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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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sprudelte es aus mir heraus und ich kam mir sofort blöd und kindisch vor.
    Überrascht hob sie die Augenbrauen.
    Ich stammelte: »Schließlich sind wir doch gleich.«
    Sie lachte leicht. »Du bist nicht wie er.«
    »In der letzten Nacht hast du uns nicht auseinanderhalten können!«
    »Von der äußeren Erscheinung her vielleicht und bei völliger Dunkelheit. Aber eure Art ist sehr verschieden.«
    »Und wie?«, fragte ich, denn ich wollte unbedingt wissen, wie sie mich sah.
    Sie seufzte. »Du bist unbesonnen und eigenwillig, und überheblich.«
    »Nicht immer«, sagte ich, jetzt etwas bescheidener. »Bestimmt nicht.«
    Ihre Stimme wurde ein bisschen weicher. »Nein, nicht immer. Aber in dir steckt eine Leidenschaftlichkeit, die mir Angst macht.«
    »Ich dachte, Frauen sehnen sich nach Leidenschaft. Ich glaube, das hab ich in einem Roman gelesen.«
    Sie kam näher und nahm meine beiden Hände. »Victor, ich werde dich immer herzlich lieben …«
    »Wie einen Bruder. Ja, ich weiß«, sagte ich sarkastisch. »An dieser Art von Liebe bin ich nicht interessiert.«
    »Also, ich schon«, antwortete sie, »und du solltest es auch sein. So eine Liebe ist sehr wertvoll.«
    Ich schnaubte. »Bitte beleidige mich nicht.«
    Sie schüttelte gequält den Kopf.
    Ich tobte weiter. »Wenn ich deine Liebe nicht ganz haben kann, dann will ich sie gar nicht.«
    »Ich kann deinen Willen nicht steuern, Victor«, sagte sie und ich bemerkte ein Aufflackern ihrer Wildkatzenwut. »Das kannst nur du selbst. Doch ich frage mich manchmal, ob du die Disziplin dazu hast.« Damit drehte sie sich um.
    »Warte, geh nicht weg«, bat ich.
    Doch diesmal blieb sie nicht wieder stehen, sondern ließ mich alleine im Flur zurück. Die Porträts meiner Vorfahren blickten ernst auf mich herab. Alle bis auf eines.
    »Worüber lächelst du, glücklicher Hans Frankenstein?«, murmelte ich und schlurfte zu meinem Zimmer.
    Die Zutaten genau abmessen, nicht mehr. Dann alles zu einem feinen Puder zermahlen. Die heißeste Stelle der Flamme suchen. Beobachten, wie das Pulver sich verflüssigt und die Farbe sich ändert. Beobachten, wie die Materie sich umwandelt.
    Die üblen Dämpfe schärften meine Konzentration. Minuten und Stunden vergingen, so vertieft war ich in meine Arbeit. Niemals hatte ich mich in diesem Maße mit meinen Schularbeiten beschäftigt. Außerdem war diese Arbeit eine willkommene Flucht. Hier unten in meinem Kerkerlabor unter dem Bootshaus konnte ich Elizabeth aus meinen Gedanken verbannen. Den größten Teil der beiden letzten Tage hatte ich hier verbracht, um nach Eisensteins Anweisungen das flammenlose Feuer zu schaffen. Mit dem Erfolg in greifbarer Nähe verspürte ich schon die Aufregung, die Sache bald vollendet zu haben.
    Ich hörte die Schritte nicht, bis sie fast vor meiner Tür waren. Bestürzt drehte ich mich um. Ich konnte nichts tun, um meine Arbeit zu verbergen. Der Tisch stand voll mit Mischgefäßen, blubbernden Kolben und allen möglichen anderen Geräten. Und ich selbst in meinem Hemd mit aufgerollten Ärmeln und rußverschmierter Stirn – ich muss leicht wahnsinnig ausgesehen haben.
    Konrad kam in Sicht und hielt sich die Nase zu.
    »Was in aller Welt ist das für ein bestialischer Gestank?«
    Ich stieß die Luft aus. »Gott sei Dank. Ich dachte, es ist Vater.«
    »Du hast Glück. Er und Mutter sind noch weg.«
    »Kann man das im Haus riechen?«, fragte ich besorgt.
    »Nein. Ich hab erst einen Hauch davon auf der Anlegestelle mitbekommen.« Er kam näher. »Hierhin bist du also in den letzten Tagen verschwunden. Was machst du da?«
    »Etwas, das uns bei der Erforschung der Höhlen helfen wird.«
    Ich hatte alle damit überraschen wollen, und nun, als meine Erleichterung verflogen war, wurde ich gereizt und war zugleich enttäuscht.
    »Ist das alles … Urin?«, fragte Konrad und starrte auf mehrere Eimer auf dem Boden.
    »Ja.«
    »Aha. Deiner?«
    »Also, nicht alles, das ist ja wohl klar«, erwiderte ich. »Das meiste davon stammt von den Pferden.«
    »Mächtig freundlich von ihnen.«
    Er sah mich an und lächelte. Ich lächelte zurück. Dann fing er an zu lachen und ich konnte nicht anders und musste mitlachen. Es war ein leichtsinniges, unkontrollierbares Lachen, und noch während ich es genoss, musste ich daran denken, wie wenig wir in den letzen Monaten miteinander gelacht hatten. Doch jetzt, das war die Art von Spaß, wie wir ihn immer zusammen erlebt hatten.
    Ich ging zu ihm und nahm ihn fest in die Arme. »Hältst du mich

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