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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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fortzusetzen.
    »Ich hatte so eine Ahnung«, antwortete ich zurückhaltend. »Und erwidert sie deine Gefühle?«
    »Vollkommen.«
    Dieses eine Wort versetzte mir einen schärferen Stich als jedes Florett.
    »Aber wie … wann ist das denn passiert?« Ich verstand immer noch nicht, dass ich von all dem nichts bemerkt haben sollte.
    »An den Sonntagen, wenn ich sie zur Messe gebracht habe.«
    Ich nickte. Über die Jahre hatte ihnen das reichlich Zeit alleine beschert. Der Schmerz machte meine nächste Bemerkung bissig. »Aber es ist schon ein bisschen komisch, findest du nicht auch? Sie ist wie eine Schwester …«
    »Aber sie ist nicht unsere Schwester, nur eine entfernte Cousine.«
    »Stimmt, aber kommt dir das nicht ein bisschen … geschmacklos vor?«
    Wir beobachteten uns beide wachsam, das Florett bereit.
    »Nicht im Geringsten«, sagte er. »En garde.«
    »Ich frage mich, was Mutter und Vater davon halten«, grübelte ich.
    »Oh, ich glaube, Mutter weiß genau, welche Gefühle Elizabeth und ich füreinander haben.«
    »Du hast es ihr erzählt – und mir nicht!«, rief ich, nun ernsthaft verletzt.
    Er machte einen Ausfall und ich parierte schnell.
    »Sie wusste es«, sagte Konrad. »Ich musste es ihr nicht anvertrauen. Und sie war sehr glücklich darüber. Sie hat gesagt, dass es schon lange ihr und Vaters Wunsch war, dass Elizabeth eines Tages die Braut von einem von uns beiden würde und damit für immer ein Mitglied unserer Familie.«
    »Du willst mit fünfzehn heiraten?«, rief ich.
    »Wenn wir älter sind, natürlich.«
    »Nach dem, was ich gehört habe, hält jugendliche Leidenschaft nur kurz. In ein paar Jahren empfindet ihr beide vielleicht ganz anders.«
    »Das hört sich an wie einer, der noch nie verliebt gewesen ist!«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte ich kühl.
    Unsere Klingen klirrten aneinander, und ehe sich Konrad zurückziehen konnte, hatte ich sein Wams getroffen.
    »Treffer«, sagte ich.
    »Du bist ganz schön temperamentvoll«, bemerkte er.
    Keuchend trennten wir uns voneinander.
    »Also, bist du denn schon mal verliebt gewesen?«, wollte Konrad wissen. »In wen? Raus damit!«
    »Das ist meine Sache.«
    »Du und ich, wir haben keine Geheimnisse voreinander.«
    »Du hast deines gehabt«, sagte ich. »Und das ganz schön lange.«
    »Na, ein paar Monate. Länger nicht.«
    Elizabeth hatte mir etwas anderes erzählt, aber ich sagte nichts. So rücksichtslos war ich nicht. Noch nicht.
    »Einer von uns«, murmelte ich.
    »Was?«
    »Du hast gesagt, es wäre Mutters Wunsch, dass Elizabeth einen von uns heiratet. War das nicht so?«
    »Ja. Warum?«
    »Sie war also nicht wählerisch, wer von uns?«
    Konrad vernachlässigte seine Deckung kurz, war aber schnell genug zu parieren, als ich einen Ausfall machte.
    »Und was wäre«, sagte ich keuchend, »wenn du und ich dieselbe Person liebten? Wenn ich Elizabeth auch lieben würde?«
    Wir umkreisten uns wachsam.
    »Aber das tust du nicht.«
    »Nimm mal an, ich würde.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Das wäre für dich dann eine Enttäuschung. Weil sie mich liebt.«
    In meiner Wut griff ich unbeholfen an. Er schlug meine Klinge zur Seite und traf mich.
    »Ein Punkt«, sagte er. »Gleichstand. En garde .«
    »Allez!« , sagte ich. »Bist du dir sicher, das sie nur dich lieben kann? Dass du so viel besser bist als ich?«
    »Victor, das hab ich nicht gesagt.«
    »Aber du denkst es.«
    »Warum bist du so wütend?«
    »Weil die Leute dich immer mehr lieben als mich«, sagte ich. »Du bist … der Charmantere von uns beiden. Und mit Sicherheit auch der Liebenswürdigere.«
    Er lachte. »So was hab ich nie gedacht.« Wir beobachteten uns genau.
    »Du liebst Elizabeth doch nicht wirklich, oder?«, fragte er.
    »Nein«, log ich.
    Konrad stürzte vor und erzielte seinen Siegtreffer genau auf mein Herz.
    Er seufzte und hob seine Maske. »Das ist eine Erleichterung. Ein guter Kampf. Aber ich bin immer noch nicht in Form. Das müssen wir öfter machen.«
    Mein Bruder hatte ein Geheimnis vor mir zurückgehalten und nun würde ich eines vor ihm zurückhalten.
    Ich werde Elizabeth für mich gewinnen.

10. Kapitel
In die Tiefe
    »Jemand sollte bei den Pferden bleiben«, sagte Konrad.
    Trotz Temerlins sorgfältig gezeichneter Karte hatten wir eine gute halbe Stunde gebraucht, um den Höhleneingang in den Vorbergen zu finden. Es war eine etwa mannshohe Spalte im Fels, die teilweise von Büschen verdeckt war. Wir vier stiegen ab und holten unsere Ausrüstung aus den

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