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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Victor«, sagte sie, doch ich war mir nicht sicher, ob diese Bemerkung so ganz als Kompliment gemeint war. »Dieses Glühen ist beunruhigend.«
    »Überhaupt nicht«, erwiderte ich. »Es stammt nur von einem Element der Erde. Phosphor.«
    »Sehr eindrucksvoll«, sagte Konrad, »aber ich glaube, für unsere Erforschung sind die Laternen doch besser.«
    Aus Stolz wollte ich schon protestieren, doch ich sah selbst, dass er recht hatte. Das Laternenlicht wäre viel heller.
    »Ich wollte es auch nicht die ganze Zeit anlassen«, log ich. »Nur für den Fall, dass unsere Laternen ausbrennen oder nass werden.« Vorsichtig verstaute ich den Behälter wieder in seiner Schutzhülle.
    Nachdem wir unsere drei Laternen angezündet hatten, ging ich mit Temerlins Karte in der Hand als Erster tiefer in die Höhle hinein. Drei Stollen öffneten sich vor uns.
    »Das ist unserer«, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf den mittleren.
    Mit weißer Kreide markierte Elizabeth deutlich die Ecke, dann folgten wir dem leicht abfallenden Gang. Kurz blickte ich mich noch einmal um zu dem Felsspalt, durch den das Tageslicht hereindrang, dann spähte ich im Schein der Laternen nach vorn.
    Wir hatten Glück. Der Tunnel hätte schlammig sein können, doch der Boden war steinig, außerdem war die Decke hoch und wir konnten nebeneinander gehen – zumindest jetzt noch.
    Nach rund zehn Minuten öffnete sich der Stollen.
    »Das ist die zweite Höhle.« Die Decke war hier tiefer und beim Eintreten mussten wir uns bücken.
    Ich studierte die Karte.
    Das Loch war genau da, wo es auch sein sollte. Es klaffte mitten im Boden wie ein missglücktes Lächeln.
    Wir kauerten uns nahe der Kante nieder. Ein Felshaken für Bergsteiger war in den Boden eingeschlagen.
    »Von Temerlin?«, überlegte Elizabeth.
    »Nehme ich an«, sagte ich, griff nach dem Haken und rüttelte daran. »Immer noch fest.«
    »Glaubst du, er ist hier unten gestorben?«, fragte sie.
    Ich muss gestehen, dass mir ein Schauder über den Rücken lief. »Dann müsste doch sein Seil noch hier sein«, antwortete ich und hielt das für ziemlich plausibel.
    »Er muss woanders gestorben sein«, sagte Konrad ruhig. »Sonst hätten wir vermutlich nicht seine Karte.«
    »Stimmt«, sagte Elizabeth mit deutlich hörbarer Erleichterung.
    Konrad holte aus seinem Rucksack einen Hammer und einen neuen Felshaken.
    »Vielleicht besser, wir benutzen unseren eigenen, meinst du nicht auch?«, fragte er mich.
    »Natürlich.« Ich machte das Seil bereit – das mit den Knoten, das wir auch im Sturmwald dabeigehabt hatten. Nach Temerlins Notizen war das Loch ein gut zwanzig Meter tiefer Schacht senkrecht nach unten, ungefähr so viel, wie wir auch im Geierbaum in Angriff genommen hatten.
    Ich ließ Konrad seinen Haken in den Fels treiben und dann schlug ich zur Sicherheit noch einen zweiten ein. Ich hatte sehr gründlich ein Buch über das Bergsteigen gelesen – in Vaters Bibliothek gab es wirklich zu jedem Thema etwas –, führte das Seil durch die Ösen von beiden Haken und band einen Knoten, der sich umso fester zuzog, je mehr Gewicht darauf lastete.
    »Musst du das letzte Ende nicht noch einmal durchstecken?«, fragte Konrad, der mich genau beobachtete.
    Ich blickte verärgert auf.
    »Du machst doch den alpinen Palstek als Knoten, oder?«, fragte er.
    »Natürlich«, sagte ich. Offensichtlich hatte er dasselbe Buch gelesen wie ich. Ich war kaum überrascht, doch nun etwas gereizt, denn meine Konzentration war weg und ich musste den Knoten lösen und erneut binden.
    »So stimmt es«, sagte Konrad.
    »Weiß ich auch«, sagte ich.
    Wir banden eine Laterne an das Seilende und ließen sie vorsichtig nach unten. Hand über Hand zählte ich die Länge ab, und genau wie Temerlin geschrieben hatte, kam die Laterne bei gut zwanzig Metern auf dem Boden auf.
    Ich kletterte als Erster Knoten für Knoten nach unten, weg vom Licht der einen Laterne auf das der anderen zu. Dann hielt ich an, um mich umzusehen. Es war kein enger Schacht, in den ich abstieg, sondern eine riesige Steinkathedrale. In der Düsternis sah ich große, gezackte Mauern aus glitzerndem, feuchtem Fels, die zu großen Säulen und tiefen Nischen wie geheime Kapellen geformt waren. An manchen Stellen schimmerte grüner Pilz wie angelaufene Bronze.
    Als ich den Grund erreichte, sah ich, dass ich auf einem großen Podest von gestaffelten Steinen stand, deren riesige Stufen hinab zum Boden der Höhle führten.
    Ich legte die Hände um den Mund und rief nach

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