Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Staub aus den Augen zu zwinkern.«
»Bist du sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?«
Wieder blickte ich auf die Karte. »Ich bin sicher. Ich hab keine Abzweigung verpasst.«
Konrad seufzte. »Na dann, weiter geht’s.«
Die Verantwortung lastete so schwer auf mir wie die Steine. Ich durfte mich einfach nicht vertun. Doch nach wenigen Minuten schrumpften die Wände des Stollens noch enger zusammen, als wollten sie meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen.
Ich hielt an.
»Ist da Schluss?«, fragte Konrad.
»Nicht ganz.«
Ich presste mich fest an die eine Tunnelwand, damit er den Spalt im Fels direkt vor uns sehen konnte. Dann hielt ich meine Laterne hinein.
»Auf der anderen Seite wird es gleich breiter«, berichtete ich.
»Aber schaffen wir es überhaupt auf die andere Seite?«.
»Wie konnte ein erwachsener Mann da durchpassen?«, wollte Elizabeth wissen, als sie die Öffnung sah.
»Temerlin muss sehr dünn gewesen sein«, meinte ich. Ich wollte nicht, dass sie meine Angst hörte, aber sie pochte wie wild in meiner Brust.
»Ich versuche es«, sagte Konrad. »Wenn ich es schaffe, schaffst du es auch.«
Diesmal stritt ich mich nicht mit ihm. Es war etwas an diesem Spalt, das mich erschreckte.
»Und wenn ihr beide es könnt«, sagte Elizabeth, »hab ich bestimmt kein Problem.«
Wir beobachteten beide, wie Konrad versuchte, sich durch den Spalt zu schieben, zu drehen und zu wenden. Es schien, als würde er es niemals schaffen, und dann plötzlich war er auf der anderen Seite.
»Es ist nicht so schlimm!«, rief er uns zu. »Gib mir eine Laterne, Victor, und dann komm.«
»Gleich«, antwortete ich und trank einen Schluck Wasser aus meiner Flasche, um meinen Magen zu beruhigen.
Es gab nur eine Stelle, die für meinen Kopf groß genug war, und ich musste ihn auf eine völlig unnatürliche Weise drehen, um ihn durchzuschieben.
»Es ist, als … würde man noch mal geboren«, sagte ich, während ich die Schultern einzog und versuchte, sie vorsichtig an der knochigen Felsverengung vorbeizumanövrieren.
Es ging nicht. Ich versuchte, mich noch enger zusammenzufalten und mit den Beinen abzustoßen. Ich hasste den Gedanken, welches Spektakel ich Elizabeth mit zappelnden Füßen und wackelndem Hintern bieten musste. Aber die Beschämung schlug schnell in Panik um.
»Ich stecke fest!«, sagte ich.
»Du schaffst das«, sagte Konrad. »Unsere Körper sind gleich.«
»Du hast abgenommen«, rief ich. »Du bist dünner!«
Plötzlich verspürte ich eine rasende Wut in mir. Ich saß wie ein Tier in der Falle. Konrad hatte mich überlistet. Er hatte mich hier reingelockt!
»Ich kann mich nicht bewegen!«, brüllte ich. »Ich kann nicht atmen!«
»Ganz ruhig, Victor«, hörte ich Elizabeth hinter mir sagen. »Wir kriegen dich da durch.«
Mein linker Arm steckte fest und mit dem rechten Arm fuchtelte ich sinnlos herum. Ich war hilflos wie ein Neugeborenes. Plötzlich wurde es um meine Hüfte herum warm, und ich fragte mich entsetzt, ob ich in die Hose gepinkelt hätte. Dann spürte ich Elizabeths Hände an meiner Taille.
»Was macht du da?«, stieß ich hervor.
»Schmierfett auftragen«, meinte sie.
»Du hast Schmierfett mitgebracht?«
»Genau für so einen Fall. Ich hab ein sehr informatives Buch in der Bibliothek deines Vaters gefunden. Und jetzt, Konrad, kannst du ziehen?«
Konrad packte mich am rechten Oberarm, und ich spürte, wie Elizabeth von hinten schob.
»Jetzt!«, sagte sie. »Zieh, Konrad!«
Einen Augenblick lang bewegte sich nichts, dann schoss ich plötzlich vorwärts und riss Konrad mit zu Boden. Als wir uns wieder aufgerappelt hatten, brach ich vor lauter Erleichterung in hysterisches Gelächter aus.
»Alles klar?«, fragte er mich.
»Ich fühle mich großartig«, schnaufte ich. »Wer würde das nicht?«
»Du bist verrückt«, sagte er, aber sofort darauf lachten wir beide hemmungslos.
»Wenn ihr Jungs vielleicht mal damit aufhören würdet …«, mahnte Elizabeth und reichte unsere Ausrüstung durch die Öffnung. Dann schob sie ihren schlanken Körper mühelos hinterher.
Danach saßen wir eine Weile da, brachten unsere Sachen in Ordnung und aßen etwas von unserem Proviant.
»Es ist seltsam«, meinte Konrad leise lachend. »Mutter sagt immer, ich wäre leicht auf die Welt gekommen, aber du hast dir Zeit gelassen.«
»Nur zwei Minuten«, widersprach ich.
Elizabeth schüttelte den Kopf. »Nein. Du hast festgesteckt.«
Konrad und ich blickten sie verwundert an.
»Wirklich,
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