Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
sagte ich und zitierte Polidoris Nachricht. »Das bedeutet, dass es einfach zu bekommen ist, oder? Diesmal wird es keine so schwierige Suche. Vielleicht hat er es sogar in seinem Laden!«
»Victor, wir wissen doch nicht einmal, an welcher Krankheit Konrad leidet. Es können doch einfach …«
»… die Pocken sein. Und vielleicht nur ganz mild, vielleicht aber auch tödlich. Oder es kann sein, dass es wieder seine alte Krankheit ist. Wir müssen vorbereitet sein.«
»Wir müssen warten, bis Dr. Murnau kommt.«
Ich stöhnte. »Das kann noch Tage dauern – oder auch Wochen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.«
»Nach allem, was wir wissen, kann dieses Elixier des Lebens ihm auch schaden.«
»Das ist ein Risiko«, gab ich zu. »Aber was ist, wenn es ihm schlechter geht? Wenn Dr. Murnau kommt und ihm nicht helfen kann? Würdest du dann auch nichts tun, obwohl wir ihn vielleicht heilen könnten?«
Elizabeth wandte den Blick ab.
»Es liegt in unserer Hand«, drängte ich weiter. »Es fehlt nur noch ein Bestandteil, um das Elixier herzustellen. Nur einer! Und es wird funktionieren, das spüre ich ganz sicher – mehr als ich sagen kann.«
Ich wollte ihr von meinem Traum erzählen, in dem ich Konrad geheilt hatte – ihn von den Toten auferweckte. Aber wie sollte ich ihr das erzählen, ohne völlig schwachsinnig zu klingen?
Ich nahm ihre Hand. »Lass dich nicht so leicht von unserer Aufgabe abbringen. Das Ganze ist bisher nicht allzu einfach verlaufen, das bestreite ich ja gar nicht, doch genau das war doch so großartig daran, weil es so voller Gefahren und Schrecken war. Immer wieder wurden unsere Kraft geprüft und unser Mut herausgefordert. Und das alles haben wir nicht für uns getan, sondern für einen anderen. Und das ist es, was es so ehrenwert macht.«
Elizabeth betrachtete mich mit ihren haselnussbraunen Augen. »Und war das alles tatsächlich für einen anderen, Victor?«
Ich zog die Stirn hoch. »Was?«
»War es für Konrad oder eher für dich? Für deinen Ruhm?«
Ihre Worte bissen tiefer und schneller zu als die Fangzähne einer Schlange, denn es lag eine giftige Wahrheit darin, die ich aber nicht zulassen wollte.
»Für Konrad!«, rief ich und richtete die gesamte Wut, die ich auch gegen mich selbst empfand, gegen Elizabeth. »Wie kannst du meine Liebe zu meinem Bruder infrage stellen! Niemand steht ihm näher als ich.«
»Für mich ist er genau so ein Bruder«, sagte sie. »Und mehr.«
»Ja, auch dein Liebhaber«, fuhr ich sie an.
»Also habe ich doppelten Grund, mich um ihn zu sorgen«, erwiderte sie hitzig.
»Dann zeig das auch«, sagte ich. »Die Uhr läuft.«
»Konrad hat selbst gewollt, dass wir die Sache aufgeben«, erinnerte mich Elizabeth.
Ich wollte aus dem Raum rennen, doch Elizabeth hielt mich am Arm fest. »Victor, wenn du das Haus verlässt, schicke ich eine Nachricht an Mutter und sage ihr, was du vorhast.«
Ich drehte mich zu ihr um und sah, dass sie es ernst meinte.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte ich und fühlte mich verraten. »Wo ist dein ganzes Feuer geblieben?«
»Du hast genug Feuer für uns alle«, meinte sie etwas sanfter. »Warte doch wenigstens, bis wir mehr von deiner Mutter erfahren. Lass uns sehen, was morgen auf uns zukommt.«
»Nun gut«, sagte ich widerstrebend und verließ den Raum.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück kam Henry, um sich nach Konrad und unserem gesamten Haushalt zu erkundigen, und es war schön, ihn wiederzusehen, selbst unter so düsteren Bedingungen. Er blieb den ganzen Vormittag.
Kurz vor dem Mittagessen kam der Diener mit einem Brief in das Wohnzimmer.
»Ich glaube, von Ihrer Mutter«, sagte er und reichte mir den Brief auf einem silbernen Tablett.
Ich griff schnell danach und machte ihn auf.
»Lies vor«, drängte Elizabeth.
Meine Lieben,
ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten für euch. Als Dr. Lesage gestern kam, sagte er, Konrad habe nicht die Pocken, sondern wieder seine alte Krankheit. Die letzte Nacht war sehr schlimm. Er wälzte sich herum und stöhnte, denn nicht einmal der Schlaf konnte seine Schmerzen lindern.
Ich schreibe diesen Brief heute Morgen um zehn Uhr und Konrad ist noch immer nicht aufgewacht. Sein Puls ist schwach, und er liegt jetzt so still und blass da, dass es mich ängstigt. Ich erwarte Dr. Lesage in Kürze hier. Doch wenn keine drastische Besserung eintritt, befürchte ich das Schlimmste.
Meine liebe Elizabeth, ich habe Dich nie danach gefragt, aber bete doch bitte. Bete, dass
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