Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
geschlagen.
»Also gut, wenn du meinst, dann geh eben allein. Aber du solltest bei den neuen Besitzern klingeln. Sie würden sich freuen, wenn du mal vorbeischauen würdest. Dann kannst du dir den Kotten auch einmal von innen ansehen.«
»Nein, ich will das Haus nicht sehen. Ich will gar nicht wissen, was sie aus unserem Kotten gemacht haben. Und kennenlernen will ich sie erst recht nicht.«
»Ach, Vater. Das sind sehr nette Leute, glaub mir. Du würdest sie mögen. Und sie haben den Kotten hübsch hergerichtet, alles nach Denkmalschutzrichtlinien. Und im Innern haben Sie das blanke Fachwerk an den Wänden hervorgeholt, aber alles picobello. Dein Kotten ist in guten Händen, darüber solltest du dich freuen.«
Carl brummte unwillig. Er wollte nicht länger über dieses Thema reden. Christa schien noch etwas sagen zu wollen, doch an der Kreuzung tauchte ein Auto auf, und sie musste abbremsen. Es war ein silberner Ford, der an ihnen vorbeischoss. Ein vertrautes Gesicht saß hinterm Steuer.
»Da ist ja Renate«, sagte Christa. »Hat sie uns gar nicht gesehen? Wir haben doch Vorfahrt. Die hat ja ein ziemliches Tempo drauf.«
Renate war in Richtung Warendorf unterwegs. Offenbar hatte die Schwester sie erreicht, und sie war nun auf dem Weg zu ihrer Mutter. Carl konnte verstehen, dass sie da keine Augen für den Straßenverkehr hatte.
»Ich war heute bei Ilse«, sagte er. »Im Pflegeheim.«
»Bei Renates Mutter? Mit wem denn?«
»Mit Inge Moorkamp«, log er. »Aber Ilse konnte sich nicht mehr an mich erinnern. Es war traurig.«
Christa warf ihm einen Seitenblick zu. »Das mit Rosa tut mir übrigens leid. Wirklich. Ich muss immerzu daran denken.«
Er antwortete nicht, sondern ließ seinen Blick über die Felder schweifen. Kurz darauf hielt Christa am Straßenrand.
»Bist du dir ganz sicher, dass du allein gehen willst?«, fragte sie.
»Ja. Ich gehe doch nur ein bisschen spazieren.«
Auf der anderen Straßenseite stand der Kotten, ihr altes Zuhause. Eine vertraute Silhouette war das, die sich dort vor dem Abendhimmel abzeichnete.
Christa betrachtete das Bild. Sie lächelte.
»Weißt du noch das Blumenbeet, das Mama immer vorm Haus hatte? Die prachtvollen Stauden? Das war ein richtiges Blütenmeer.«
»Ja, sie hat ihren Garten geliebt.«
»Meine Freundinnen haben mich darum beneidet. Sie wollten sich immer bei uns im Garten zum Lernen treffen.«
»Jetzt liegt dort ein Pflaster. Da sind keine Blumen mehr.«
»Nein, das stimmt.«
Eine Weile saßen sie noch da, blickten hinaus und hingen ihren Gedanken nach. Dann sagte Christa: »Ruf mich an, Papa, wenn du nach Hause möchtest.«
Carl lächelte. Es war schon eine Ewigkeit her, dass sie ihn das letzte Mal so genannt hatte.
»Das mache ich, mein Schatz.«
»Und dann koche ich uns ein Glas Glühwein, und wir sehen uns gemeinsam den Tatort an. Was hältst du davon?«
»Das wäre schön.«
Er nahm ihre Hand und drückte sie. Dann öffnete er die Tür und stieg aus. Er wartete, bis ihre Rücklichter hinter der Kurve verschwunden waren, dann überquerte er die Straße.
Den Kotten ließ er links liegen und schlug den Feldweg zum Hof von Schulte-Stein ein. Das Anwesen war nur gut hundert Meter entfernt, gleich hinter einem kleinen Wäldchen. Wenn er sich beeilte, würde es nicht lange dauern.
20
Wie so häufig in den letzten Tagen saß Antonius Holtkamp in seiner Küche und dachte nach. Wälzte immer wieder alles vor und zurück. Die Geschehnisse der letzten Tage ließen ihn nicht los.
Helga saß in ihrem Rollstuhl neben der Heizung und las in einem Buch. Seit Rosas Tod war sie sehr schweigsam geworden. Sie hatte ganz offenbar Angst, und das würde sich erst ändern, wenn der Mörder gefasst wäre. Antonius störte sich nicht an der Schweigsamkeit seiner Tochter, ganz im Gegenteil. Er war froh, in Ruhe nachdenken zu können.
Rosas Tod hatte alles verändert. Er hatte seitdem weder mit Heinz noch mit Walther gesprochen. Einer von ihnen war für ihren Tod verantwortlich, davon war er überzeugt. Doch er wusste nicht, wer. Und er wusste nicht, warum.
Wo war er da nur hineingeraten? Die Sache mit Alfons war eine Affekttat gewesen. Keiner machte Walther einen Vorwurf. Es konnten alle nachvollziehen, wie das passiert war. Walthers Trauer um Hanne. Alfons’ Rolle in der ganzen Geschichte. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Deshalb glaubten sie, es wäre richtig, Walther zu decken und die Spuren zu verwischen. Sie hatten einen Plan gemacht. Und trotzdem ging
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