Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
und mit der Strickarbeit beginnen. Was für ein schöner Nachmittag stand ihr bevor. Sie würde ihn genießen und sich nicht dafür schämen. Das nahm sie sich fest vor.
An der Tür blieb sie stehen. Da stimmte etwas nicht. Rosa hatte abgeschlossen, davon war sie überzeugt. Nun stand die Tür jedoch einen Spalt weit offen. Im Schloss klaffte ein großes Loch, als wäre es mit einer Bohrmaschine bearbeitet worden.
Ein Einbrecher, schoss es ihr durch den Kopf. In ihr Haus war eingebrochen worden. Sie starrte unbewegt auf das zerstörte Schloss. Natürlich hätte sie sich jetzt umdrehen, zu Waltraut laufen und die Polizei verständigen sollen. Der Einbrecher könnte noch in ihrem Haus sein, so lange war sie schließlich nicht fort gewesen. Es war viel zu gefährlich.
Doch sie konnte nicht anders. Es war wie ein Zwang. Sie trat vor, stieß die Tür mit dem Finger vorsichtig auf und spähte hinein. Der Wohnungsflur war verwaist. Er sah aus wie immer. Sie zögerte.
Dann trat sie in den Flur und lauschte. Nichts. Vorsichtig ging sie weiter. In der Küche schien ebenfalls alles unberührt. Schlafwandlerisch ging sie weiter, zum Nähzimmer, in die Waschküche, schließlich ins Wohnzimmer.
Alles bis auf das Türschloss war unberührt. Was hatte das Ganze zu bedeuten? Doch dann entdeckte sie es. Der Wohnzimmerschrank. Die Türen waren aufgerissen, drinnen war alles durchwühlt. Ihre Tischdecken, die Weihnachtsdekoration, die Gesellschaftsspiele.
Eine Ahnung befiel sie. Das Album. Rosa trat näher. Tatsächlich. Die Fotoalben waren in Unordnung gebracht worden. Und eines fehlte: das Album mit den Fotos des alten Schulte-Stein.
Hambrock stieß die Toilettentür auf. Eiskalte, klamme Luft schlug ihm entgegen. Und kalter Zigarettenrauch. Das Fenster stand sperrangelweit offen, und Keller lehnte im Rahmen und telefonierte. Er schien Hambrock nicht zu bemerken. Mit der rechten Hand fuchtelte er in der Luft herum, während er mit der Linken das Handy ans Ohr drückte.
»Erzähl mir nichts. Irgendwas ist mit dem Jungen los. So hab ich ihn noch nie erlebt.«
Hambrock trug nur ein dünnes Oberhemd. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er blickte sich um. Wahrscheinlich sollte er Keller zur Rede stellen. Aber er war viel zu mitgenommen, um Mitarbeiter nur der Form halber zurechtzuweisen. Ihm war es doch egal, wo Keller rauchte. Sollte er sich ruhig hierher verziehen, so litt seine Arbeit weniger darunter, als wenn er für jede Zigarette hinunter auf den Hof ging.
»So ein Unsinn. Man kann die Pubertät nicht für alles verantwortlich machen. Ich kenne doch meinen Sohn, und er … Nein, jetzt hörst du mir mal zu!«
Offenbar ein Privatgespräch. Hambrock machte auf sich aufmerksam. Er wollte nicht ungebeten zuhören. Dann stellte er sich ans Pissoir.
Keller räusperte sich. »Es ist gerade jemand ins Büro gekommen«, flüsterte er. »Ich ruf dich gleich noch mal an.«
Nachdem Keller sein Handy eingesteckt hatte, drehte Hambrock sich zu ihm um.
»Ich wollte dich nicht stören.« Mit einem Lächeln fügte er hinzu: »Hier in deinem Büro.«
»Ach, schon gut. Meine Exfrau«, sagte er auf eine Weise, als wäre damit alles erklärt.
»Verstehe«, meinte Hambrock und trat ans Waschbecken. »Hast du mit Renate Wüllenhues gesprochen?«
»Du meinst wegen der Tatzeit? Ja, habe ich. Sie sagt, ihr Mann lag da im Bett. Abends ist sie immer länger aufgeblieben als er, ihr Mann war Frühaufsteher. Als sie in der Tatnacht um kurz nach zwölf ins Schlafzimmer ging, lag er schlafend im Ehebett.« Keller zündete sich eine weitere Zigarette an. »Aber sie ist die Ehefrau. Vor Gericht hätte so ein Alibi nicht viel Wert.«
»Das stimmt. Trotzdem. Falls es noch ein letztes Indiz brauchte, um mich von der Unschuld von Siegfried Wüllenhues zu überzeugen, dann habe ich es jetzt.«
Keller blies den Rauch nachdenklich durchs Fenster. »Wir brauchen also einen neuen Hauptverdächtigen«, sagte er. »Nur wer soll das sein? Die Spurenlage am Tatort gibt nicht viel her.«
»Vielleicht war das ja der Grund, weshalb Wüllenhues den Brand gelegt hat.«
»Um alle Spuren des Täters zu vernichten.«
»Ganz genau.«
»Und jetzt ein weiteres Feuer.«
»Ja. Was immer uns das sagen soll.«
»In dem Schuppen gab es keine Spuren, die vernichtet werden mussten, oder?«
»Das weiß man natürlich nicht.«
»Wir sollten …«, begann Keller.
Da flog die Tür auf. Guido Gratczek stand auf der Schwelle. Er erfasste die Situation mit einem Blick.
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