Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
wart auf keinem der Fotos abgebildet.«
»Nein, natürlich nicht. Da wurden längst keine mehr geschossen. Für so etwas gab es gar kein Geld, und auch keinen, der sie hätte entwickeln können. Es waren ja alle im Krieg, und hier in der Heimat herrschte Not. Wir waren froh, wenn es genug zu Essen gab.«
Es klingelte an der Haustür. Rosa blickte überrascht auf. »Wer kann das sein?« Sie ging in den Flur. Die Tür, die ja nur angelehnt war, wurde geöffnet, und Carl hörte eine vertraute Stimme im Flur.
»Mein Name ist Henrik Keller, ich komme aus Münster. Von der Polizei. Ich würde gerne mit Ihnen über den Einbruch sprechen.«
Sie traten ins Wohnzimmer. Keller brachte einen Schwall kühler Luft und den Geruch von Zigarettenqualm mit herein. Er erkannte Carl sofort wieder.
»Herr Beeke. Was für eine Überraschung. Was führt Sie hierher?«
»Ich wollte nur sehen, ob bei Frau Deutschmann alles in Ordnung ist. Ihre Kinder können erst heute Abend herkommen.« Carl stand langsam auf. »Ich werde Sie mal allein lassen, damit Sie in Ruhe Ihre Fragen stellen können.«
Keller protestierte zwar, aber nur halbherzig. Ihm war es natürlich recht, dass Carl verschwinden wollte. Wenn Keller etwas von ihm wissen wollte, würde er später schon bei ihm zu Hause auftauchen.
Nach dem Telefonat mit Christa musste Carl nicht mehr lange warten. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie vor Rosas Haus auftauchte. Sie packte ihn ins Auto und machte sich auf den Rückweg. Inzwischen war es dunkel geworden. Das Scheinwerferlicht huschte über die Vorgärten der Siedlung.
Christa wirkte ruhiger. Einer der seltenen Momente, wo sie nicht abgelenkt war durch Kinder und Arbeit und er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
»Ist es schlimm für Rosa?«, fragte sie.
»Ich glaube, sie kommt zurecht.«
Seine Tochter schwieg eine Weile. Dann fragte sie: »Wann ist die Beerdigung von Siegfried Wüllenhues?«
Carl war überrascht.
»Dachtest du, ich hätte das vergessen?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich würde dich jedenfalls gerne dorthin begleiten. Wirklich.«
»Am Donnerstag. Sein Leichnam wurde heute freigegeben. Renate will ihn am Donnerstagnachmittag zu Grabe tragen lassen.«
»Sehr traurig, das alles.«
Carl nickte schweigend. Er spürte die Trauer. Seine Müdigkeit.
Am Ortsausgang fuhr Christa auf die Landstraße, um den Ortskern zu umgehen. An der Kreuzung sprang die Ampel auf Rot. Es wurde still im Innern des Wagens, nur das Klicken des Blinkers war zu hören.
Carl blickte zur Gastwirtschaft der Moorkamps hinüber, die an der Kreuzung lag. Heute war Montag, der Ruhetag. Trotzdem brannte hinter einem der Fenster Licht. Er entdeckte Heinz, der alleine an einem Tisch saß. Hockte einfach da und starrte vor sich hin. Was mochte ihm gerade durch den Kopf gehen?
Heinz Moorkamp und Siegfried Wüllenhues. Ein Leben lang waren sie Freunde gewesen. Sie waren zusammen zur Schule gegangen und später in den Schützenverein. Sie hatten jahrzehntelang wöchentlich Karten gespielt, waren gemeinsam in Rente gegangen, und dann hatten sie sich jeden Sonntagmorgen zum Stammtisch getroffen.
War es denkbar, dass Heinz eingeweiht war in Siegfrieds Pläne? Oder hatte Heinz sogar einen Grund gehabt, Alfons zu töten? Vielleicht hatte es einen Streit gegeben?
Die Ampel sprang auf Grün. Christa fuhr los. Die Gastwirtschaft rückte aus seinem Blickfeld.
Er würde zu Heinz Moorkamp gehen. Morgen. Er würde mit ihm reden, und dann würde sich zeigen, ob er irgendetwas wusste. Es konnte schließlich nicht angehen, dass bei Rosa am helllichten Tag eingebrochen wurde und ein Düstermühler der Täter war.
Im Haus war es unnatürlich ruhig. Besonders, wenn die Dunkelheit hereinbrach, wurde es so einsam und leer, dass sie fürchtete, den Verstand zu verlieren. Renate Wüllenhues begann dann zu putzen. Sie räumte auf, schrubbte die Anrichten, taute den Gefrierschrank ab, machte alles Mögliche, Hauptsache, sie blieb in Bewegung. Nur nicht stillstehen und nachdenken.
Am Nachmittag hatte sie Manfred Schulte-Stein im Supermarkt gesehen. Er ging dort einkaufen, genau wie sie. Mit seiner Frau und den Kindern. Alle wirkten so müde und erschöpft. Doch es lag auch etwas Tröstliches in ihrem Anblick. Denn sie hatten immerhin noch sich, sie konnten sich gegenseitig stützen. Renate war hinter ein Regal gehuscht, im letzten Moment, bevor er sie entdeckt hätte.
Wie sollte das in Zukunft weitergehen? Sie und Manfred würden sich doch zwangsläufig über
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