Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
gefunden wurden. Aber es reicht, wenn Sie morgen bei uns vorbeikommen. Erholen Sie sich erst einmal von ihrem Schreck.« Er lächelte bedauernd. »Ihre Nachbarn haben leider nichts gesehen. Der Einbrecher ist völlig unbemerkt ins Haus gelangt. Deswegen hoffen wir, mit den Fingerabdrücken weiterzukommen. Nun ja. Wir werden sehen.«
Damit verabschiedete er sich. Seine Kollegen folgten ihm, und kurz darauf waren Carl und Rosa allein im Haus.
Sie ging ins Wohnzimmer, um den Inhalt ihres Schranks wieder einzuräumen. Dabei sortierte sie alle Gegenstände aus, auf denen Fingerabdrücke gefunden wurden und die nun mit einem schwarzen Pulver versehen waren. Carl hätte ihr gerne geholfen, aber seine Kräfte ließen nach. Außerdem würde er sich schlecht neben sie auf den Boden hocken können. So etwas machten seine Knochen gar nicht mit.
»Setz dich doch an den Esstisch«, sagte Rosa. »Ich bin gleich fertig.«
Er nahm Platz und betrachtete ihren Rücken. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Das war typisch für sie.
»Wie geht es dir, mien Deernken?«
Sie hielt inne. »Ach«, sagte sie.
Dann stand sie auf und setzte sich zu ihm.
»Das war einer von hier, Carl. Aus Düstermühle.«
»Ja. Das glaube ich auch.«
»Was geht denn hier nur vor?« Sie war plötzlich ganz aufgebracht. »Einer, den wir kennen! Stell dir das vor! Bricht einfach hier ein. In mein Haus!«
»Ich weiß, Rosa.«
Er hatte im Fernsehen eine Sendung gesehen, da ging es um Opfer von Einbrechern. Diese Menschen waren danach oft schreckhaft und ängstlich. Sie fühlten sich missbraucht und verbarrikadierten sich. Seltsame Dinge passierten manchmal mit Menschen, dachte er. Mal sehen, wie Rosa das Ganze überstand.
»Sieh mal, Rosa, er hatte es nur auf dein Album abgesehen. Er wollte dir keinen Schaden zufügen. Ich weiß, das ist ein schlechter Trost, aber er wollte nur das Buch, sonst nichts.«
Sie nickte.
»Die Polizei wird ihn finden«, sagte er. »Es ist nicht recht, was er getan hat, und dafür wird er bestraft werden.«
»Ja, das stimmt.« Sie seufzte. »Es hätte schlimmer kommen können.« Dann blickte sie sich um. »Das größte Chaos ist fürs Erste beseitigt. Ich glaube, der Rest kann warten. Ich mach uns erst mal einen Kaffee.« Im Weggehen sagte sie: »Ich könnte uns ein Stück Pflaumenkuchen in der Mikrowelle auftauen. Den habe ich nach der Pflaumenernte ganz frisch eingefroren.«
»Mach dir keine Umstände, Rosa. Bitte.«
Doch das überhörte sie natürlich. Etwas später kehrte sie mit Kaffee, Pflaumenkuchen und frisch geschlagener Sahne zurück. Das alles duftete köstlich.
Bevor sie sich setzte, blickte sie sich noch einmal im Zimmer um. Sie wirkte einen Moment lang hilflos, dann schüttelte sie energisch den Kopf, wie um sich selbst zu zeigen, dass das Ganze keine Katastrophe war.
»Ich weiß, was du denkst, Carl.«
»So? Was denn?«
»Du denkst, dieser Einbruch zeigt, dass die Fotos etwas mit dem zu tun haben, was mit Alfons passiert ist.«
»Ja, stimmt. Das denke ich.«
»Aber … das würde bedeuten, es war gar nicht Siegfried, der sich für seinen Vater gerächt hat. Denn der kann schlecht der Einbrecher gewesen sein.«
»Stimmt.«
»Und was sollen wir jetzt tun? Sollen wir das der Polizei erzählen?«
Carl zögerte. Was, wenn Siegfried tatsächlich nichts mit dem Tod von Alfons zu tun hatte? Was war dann in jener Nacht passiert? Wer war stattdessen in der alten Schmiede gewesen? Hatte es Streit gegeben? Aber mit wem und weshalb?
Er verstand das Ganze nicht. Sie waren doch alte Männer, die ihr Leben hinter sich hatten. Wie konnte es da zu solch extremen Taten kommen? Und wieso ging das immer weiter? Wozu das Feuer im Schuppen und dieser Einbruch hier?
Er dachte an die Fotos vom Kriegerfest in Düstermühle. An die Familienfotos der Schulte-Steins in ihrem Garten. Die SS-Leute auf dem Hof. Er kannte die Menschen, die auf den Fotos abgebildet waren. Es war nichts Besonderes darauf zu sehen gewesen. Nichts, was einen Raub gerechtfertigt hätte. Damals, 1945, da waren diese Fotos vielleicht gefährlich gewesen, zumindest für einen wie Schulte-Stein. Aber heute?
»Was kann so Besonders an diesen Fotos gewesen sein, Rosa? Habe ich denn etwas übersehen?«
Sie hob die Schultern. »Es gab Fotos von Alfons und seinen Geschwistern. Daran kann ich mich erinnern. Aber sie waren damals ja alle Kinder. Porträts von Kindern, dafür interessiert sich doch heute keiner mehr.«
»Du und deine Mutter, ihr
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