Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Die Kälte, der Rauch, Keller mit der Zigarette im Mundwinkel. Und Hambrock, der bibbernd danebenstand und mit ihm plauderte. Falls sich Gratczek etwas dabei dachte, ließ er sich nichts anmerken.
»Hambrock, ich suche dich überall.«
»Was gibt’s denn?«
»Telefon für dich.«
»Ich rufe zurück.«
»Es ist deine Mutter. Sie lässt sich nicht abwimmeln. Ich musste ihr versprechen, dich zu suchen. Sie wirkt sehr angespannt.«
Es war so weit. Wie es aussah, konnte er sich nicht länger davonschleichen. Seine Mutter forderte ein Gespräch ein. Sie ließ sich nicht länger vertrösten.
»Ich komme«, sagte er und ließ seine Kollegen stehen.
Im Büro schloss er sorgfältig die Tür, dann nahm er den Hörer auf. Seine Mutter war völlig aufgelöst. Sie wollte nicht einfach nur mit ihm reden. Etwas war passiert.
»Du musst sofort kommen«, sagte sie. »Birgit. Es geht ihr wieder schlechter.«
8
Seine Tochter hatte sich bereit erklärt, ihn zu Rosa zu fahren. Eigentlich hatte sie ja gar keine Zeit für so etwas, aber dieses Mal war Carl Beeke unnachgiebig gewesen. Er musste Rosa beistehen, da gab es keine Alternative.
Christa hatte ihr Handy in die Halterung am Armaturenbrett gesteckt, um während der Fahrt Anrufe entgegennehmen zu können. Und tatsächlich klingelte es ständig. Seine Tochter drückte auf einen Knopf, und dann waren da fremde Stimmen im Wagen. Ihre Kunden, von denen er noch nie einen persönlich kennengelernt hatte. Sie redeten laut und drängend und waren unfreundlich.
»Die Listendarstellung ist nicht in Ordnung, Frau Beeke«, hieß es da, und: »Der Umsatz pro Dezitonne wird in der Auswertung nicht angezeigt. Wieso funktioniert das nicht?«
Carl versuchte, die Gespräche zu ignorieren. Er sah bewegungslos auf die karge, öde Landschaft hinter dem Fenster. Er spürte Unruhe. Zuerst der erneute Brand auf dem Anwesen der Schulte-Steins und jetzt das: Bei Rosa war eingebrochen worden. Was war denn nur los? Was für Teufel waren hier unterwegs? Er erkannte sein Düstermühle nicht wieder.
»Wir hatten doch besprochen, Frau Beeke, was alles in die Auswertung muss.«
»Natürlich. Ich mache mich gleich heute Abend dran. Sie können sich morgen früh das Ergebnis anschauen und mir sagen, ob Sie mit allem einverstanden sind.«
»Morgen? Geht das nicht heute?«
»Ich tue mein Bestes. Aber ich kann nichts versprechen.«
Christa beendete das Gespräch, stieß einen schweren Seufzer aus und bog dann in die Straße, in der Rosa wohnte.
Zwei Streifenwagen standen am Straßenrand, daneben ein Zivilwagen, offenbar ebenfalls von der Polizei. Die gesamte Auffahrt war von den Fahrzeugen blockiert.
Christa hielt. Für einen Moment schien sie ihre Arbeit vergessen zu haben. Sie begriff wohl erst jetzt, was hier passiert war.
»Kann ich etwas tun?«, fragte sie. »Irgendwie helfen?«
»Nein, lass mal. Hier gibt es Nachbarn, die helfen. Und Rosas Kinder sind bestimmt auch schon unterwegs. Den Rest erledigt die Polizei. Fahr ruhig. Du hast genug zu tun.«
Sie zögerte. Dann sagte sie: »Ja, du hast recht. Ruf an, wenn ich dich abholen soll.«
»Danke fürs Bringen.«
Er stieg aus dem Wagen, warf die Tür zu und sah seiner Tochter hinterher, bis sie auf die Hauptstraße fuhr und verschwand. Dann bewegte er sich mit seinem Stock langsam auf den Eingang zu. Zwei Männer mit Latexhandschuhen und sperrigen Koffern kamen ihm entgegen. Vorsichtig sah er in den Hausflur. Rosa stand an der Wohnzimmertür, die Strickjacke eng um den Oberkörper gezogen. Sie beobachtete das Treiben in ihrem Haus mit sorgenzerfurchtem Gesicht und trat jedes Mal, wenn einer der Polizisten vorbeiwollte, scheu aus dem Weg. Sie wirkte wie ein ungebetener Gast im eigenen Haus. Erst als sie Carl entdeckte, hellte sich ihr Gesicht auf.
»Carl! Da bist du ja! Wie schön, dass du kommen konntest.«
»Das war doch selbstverständlich. Was ist passiert?«
Sie wiederholte, was sie schon am Telefon gesagt hatte: Das Türschloss war aufgebrochen und das Fotoalbum vom alten Schulte-Stein gestohlen worden.
»Und du bist sicher, dass sonst nichts verschwunden ist?«
»Ziemlich sicher. Ich habe mich gründlich umgesehen.«
Einer der zivilen Polizeibeamten kam auf Rosa zu.
»Wir sind hier fertig«, sagte er. »Sie können Ihr Wohnzimmer jetzt aufräumen. Viel ist ja nicht in Unordnung gebracht worden.«
»Wie geht es weiter?«, fragte sie.
»Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke, um sie mit denen zu vergleichen, die hier sonst noch
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