Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Tod.«
»Welcher Tod ist schon schön?«, bemerkte Hambrock. »Vornholte ist das schwächste Glied in der Kette. Wenn wir einen vom Stammtisch knacken können, dann ihn.«
Plötzlich machte sich so etwas wie Zuversicht breit. Egal, in wie viele Sackgassen sie heute geraten waren. Hier bot sich ihnen eine realistische Chance.
»Gleich morgen holen wir ihn aufs Präsidium«, meinte Gratczek. »Und dann sehen wir weiter.«
Hambrock nickte. »Vielleicht kommen wir ja doch noch weiter«, sagte er. »Und jetzt fahr los. Hier gibt es nichts mehr zu sehen.«
13
Rosa nahm auf der Rückbank Platz und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Draußen war es beinahe dunkel geworden, eine wahre Sintflut ging nieder.
»Du lieber Himmel, was ist das nur für ein Unwetter?«
»Jetzt bist du im Trockenen, mien Deernken.«
Carl, der auf dem Beifahrersitz saß, wandte sich um und lächelte. Es war ein trauriges Lächeln. Rosa wusste, wie sehr ihn der Verlust schmerzte. Siegfried war ein guter Freund gewesen.
Christa startete den Wagen und setzte zurück.
»Ein Glück, dass es während der Zeremonie trocken war«, sagte Rosa. »Nicht auszudenken, wenn der Eisregen früher eingesetzt hätte.«
»Ja«, meinte Carl.
Schweigen. Dann sagte er: »Was der Pastor sagte, hat mir gut gefallen. Das mit dem Verlust, der aus dem Bewusstsein geraten kann.«
Rosa legte ihre Hand auf seine Schulter. Der Regen prasselte jetzt wütend aufs Autodach. Es war, als befänden sie sich in einer Blase.
Christa, die bislang geschwiegen hatte, schlug vor: »Ich bringe Sie nach Hause, Frau Deutschmann. Dann können Sie Ihre Haare trocknen und sich umziehen.«
»Ach was. Bringen Sie uns direkt zu Moorkamp. Ich bleibe ohnehin nicht lange. Nur auf eine Tasse Kaffee. Inge Moorkamp wird mir ein Handtuch geben.«
»Aber ist das vernünftig?«, fragte Carl. »Du wirst dir eine Erkältung holen.«
»Ich war in meinem ganzen Leben nicht erkältet. Meine Frisur wird nicht so ansehnlich sein, aber wir gehen ja nicht zur Modenschau.«
Christa sah ihren Vater unsicher an. Doch der nickte ihr zu, und sie reihte sich in die Karawane der anderen Autos ein. Vor Moorkamps Kneipe setzte sie Carl und Rosa ab. Sie selbst musste wieder an die Arbeit, irgendein Auftrag, der dringend erledigt werden musste.
Rosa ging in den Wohnbereich hinter der Wirtschaft und ließ sich von Inge ein Handtuch geben. Kurz darauf kehrte sie in den Schankraum zurück. Ihre Frisur war ruiniert, aber das würde heute keinen stören.
Es standen überall Leute herum, auch der angrenzende Saal war gut gefüllt. Am einen Ende befand sich der Tisch für die Familienmitglieder. Renate nahm von allen Seiten Beileidsbekundungen entgegen. Rosa bewunderte sie für die Stärke, mit der sie alles ertrug.
Entlang der Fenster saßen die Nachbarn. Lauter vertraute Gesichter. Es hätte auch ein Dorffest sein können, wären da nicht die ernsten Mienen und die dunkle Kleidung. Rosa wurde bewusst, wie alt die meisten im Saal waren. Sie selbst machte da ja keine Ausnahme. Ihre Generation erlebte jetzt den Lebensabend. Wie viele von denen, die hier standen und Renate kondolierten, würden in den nächsten Jahren wohl zu Grabe getragen werden? Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken.
Während sie ihren Blick durch den Schankraum schweifen ließ, entdeckte sie die beiden Polizisten, die schon auf dem Friedhof gewesen waren. Sie standen verborgen am hinteren Ende der Kneipe und redeten leise miteinander. Musste das sein, dass diese Leute auf der Trauerfeier waren? Sie fand es sehr unpassend. Und seltsam.
»Rosa, meine Güte, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen?«
Eine Frau trat auf sie zu. Schlohweißes Haar, blasse Haut, wässrige Augen. Rosa brauchte eine Sekunde, bis sie begriff: Es war Maria Vogt, eine alte Schulfreundin von ihr. »Maria! Wie schön, dich zu sehen. Dass du mal wieder in Düstermühle bist!«
»Der Anlass ist ja leider sehr traurig.«
Sie trat näher, nahm Rosas Hände und drückte sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. So war das mit dem Verlust. Er zeigte den Lebenden, wie wichtig die waren, die übrig blieben.
»Lass dich mal ansehen, Rosa. Du hast dich kaum verändert.«
Rosa lachte freundlich. »So ein Unsinn, Maria. Wir sind alle alt geworden.«
»Und Siegfried …« Maria stockte. »Ich hab ihn seit über einem Jahr nicht gesehen. Es war mir zu mühsam, den langen Weg herzufahren. Hätte ich nur gewusst …«
Wieder füllten sich ihre Augen mit
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