Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
raten.«
»Walther Vornholte?«, fragte Hambrock.
»Genau. Walther Vornholte. Hanne Vornholte ist seine verstorbene Frau. Sie war eine von Schulte-Steins adoptierten Kriegswaisen.«
Renate Wüllenhues saß in ihrer stillen Küche und starrte gegen die Wand. Vor einer Stunde hatte sie es im Radio gehört. Ein weiterer Todesfall in Düstermühle. Ein Geräteschuppen hatte offenbar gebrannt, und eine Frau war darin umgekommen. Der Name der Toten war nicht genannt worden, und Renate hatte sofort bei Inge Moorkamp angerufen.
Offenbar war in Düstermühle der Teufel los. Keiner konnte fassen, was passiert war. Rosa Deutschmann. Ausgerechnet sie, die friedfertigste und hilfsbereiteste Person, die man sich vorstellen konnte. Die sich ihr Leben lang für andere aufgeopfert hatte. Und wie es aussah, war sie jetzt das Opfer eines Gewaltverbrechens geworden.
Warum Rosa? Diese gute Seele. Was hatte sie mit der Sache zu tun? Mit Alfons? Und warum war Siegfried an jenem Morgen in der Schmiede gewesen? Was wollte er da? War er ein Mörder? Gehörte er dazu? War sein Herzversagen vielleicht sogar ein gerechtes Schicksal für seine Taten? Die Strafe für einen Mörder?
Rosa. Sie konnte das nicht glauben.
Wer würde als Nächstes dran sein?
In der Tenne knallte eine Tür. Dann waren da Schritte in der Waschküche. Renates Herz setzte einen Schlag aus.
»Mutter? Bist du hier?«
Es war Bodo. Seine Schritte näherten sich, dann wurde die Küchentür aufgestoßen.
»Hier bist du. Wieso sagst du denn nichts?« Er trat näher. »Ich wollte nach dir sehen. Ich fahre heute nicht ins Büro.«
Sie dachte an ihren Besuch im Pflegeheim. Als sie den Namen Schulte-Stein angesprochen hatte, war ihre Mutter seltsam aufgewühlt gewesen. Sie hatte etwas von einem Kind gesagt. Einem Kind, das weggegeben werden sollte.
Beinahe hätte sie Bodo gefragt, ob er etwas darüber wusste. Doch sein düsteres Gesicht ließ sie zögern.
»Soll ich Kaffee kochen?«, fragte sie stattdessen.
»Sehr gern.«
Sie stand auf, gab ihm einen flüchtigen Kuss und hantierte an der Kaffeemaschine herum. Dabei stellte sie fest, dass ihre Hände ein wenig zitterten. Erst da begriff sie es: Sie hatte Angst.
Gratczek saß auf dem Beifahrersitz und faselte irgendetwas davon, wie man die Befragung von Walther Vornholte am besten aufziehen könnte. Keller hörte gar nicht richtig zu. Immer müssen freitags die Leichen reinkommen, dachte er. Zwar war es – zum Glück – nicht geplant, dass die Kinder an diesem Wochenende zu ihm kamen. Aber er hatte zwei Karten für das Schalke-Spiel am Sonntag besorgt und seinem Sohn feierlich verkündet, dass sie gemeinsam dorthin fahren würden.
Im Moment war es wichtig, Zeit mit ihm zu verbringen. Gerade jetzt. Er entglitt ihm langsam. Der Junge machte immer häufiger einfach dicht, anstatt zu sagen, was ihm nicht passte. Keller konnte ihn verstehen: Da wird ihm dieser schleimige Anwalt vor die Nase gesetzt, der sein neuer Daddy sein soll, und kurz danach zieht die Familie nach Osnabrück, um in seinem schicken Haus zu wohnen. Das war zu viel für Niklas.
Natürlich wollte Keller seiner Exfrau nicht das Recht absprechen, eine neue Beziehung einzugehen. Im Gegenteil, sollte die doch glücklich werden mit diesem blöden Kissenfurzer. Aber wie sollte man das einem pubertierenden Jungen erklären? Der war doch schon ausreichend mit seinen Hormonen beschäftigt. Keller wollte also für ihn da sein.
»Machen wir es so?«, fragte Gratczek.
»Was? Ach so. Ja, natürlich.«
»Okay. Abgemacht.«
Gratczek wollte die Befragung führen, und Keller sollte sich im Hintergrund halten. Das hatte er längst begriffen. Sollte er doch, der Streber. Keller interessierte sich ohnehin nur dafür, wie er es anstellen konnte, am Sonntagmittag zu verschwinden.
Sie fuhren auf den Hof und stiegen aus. Wie es aussah, würde es heute trocken bleiben. Zwar hingen noch schwere Wolkenbänke über dem Land, die zogen aber langsam nach Osten ab. Gratczek warf die Autotür zu und steuerte das Wohnhaus an. Keller warf derweil einen Blick in die offene Scheune, wo der museumsreife Traktor stand, den er schon bei seinem ersten Besuch hier bewundert hatte. Im Zwielicht erkannte er die grün lackierten Kotflügel und die großen Profilreifen. Zu seiner Überraschung saß jemand auf dem Traktor. Regungslos.
Keller stieß Gratczek in die Seite und deutete hinüber. Mit gerunzelter Stirn näherten sich die beiden. Tatsächlich, es war Walther Vornholte, der dort im
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