Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Halbdunkel hockte.
»Herr Vornholte?«, rief Gratczek.
Die Gestalt auf dem Traktor drehte sich um. Sein Gesicht war müde und leer. Er wirkte steinalt.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Vornholte nickte. Dann sammelte er Kraft, gab sich einen Ruck und stieg mühsam von seinem Traktor herunter.
Gratczek trat näher. »Was tun Sie hier?«
»Nachdenken. Über Rosa. Das heißt über Frau Deutschmann.«
»Dann haben Sie schon von Ihrem Tod gehört?«, fragte Keller forsch.
Der Alte nickte.
»Und von wem wissen Sie das?«
»Von Heinz Moorkamp.«
Gratczek warf Keller einen bösen Blick zu. Doch der achtete nicht darauf.
»Moorkamp hatte gestern Abend die Feuerwehr gerufen«, schob Walther Vornholte hinterher.
»Wann haben Sie mit Heinz Moorkamp gesprochen?«
»Vor einer halben Stunde.«
»War er hier?«
»Nein, wir haben telefoniert. Er hat mich angerufen.«
Keller machte sich in Gedanken eine Notiz. Er würde überprüfen, ob sich die Aussagen deckten.
»Und wo waren Sie gestern Abend?«, fragte er.
Walther Vornholte schien erstaunt zu sein. »Denken Sie etwa …?«
»Beantworten Sie bitte die Frage.«
»Hier. Zu Hause. Nach Siegfrieds Beerdigung bin ich gleich hierhergegangen.«
»Kann das jemand bezeugen?«
»Nein. Wer denn auch?«
»Herr Vornholte«, mischte sich Gratczek ein. »Können wir vielleicht ins Haus gehen und dort weiterreden?«
Vornholte schien irritiert, nickte jedoch und führte die beiden Kommissare durch die Tenne in eine schlichte, weiß möblierte Küche. Sie nahmen am Tisch Platz.
»Haben Sie eine Idee, was da gestern passiert sein könnte?«, fragte Gratczek.
»Bei Rosa, meinen Sie? Nein. Ich kann mir überhaupt keinen Reim darauf machen.«
»Kannten Sie Frau Deutschmann näher?«
»Ja. Nein. Ein bisschen.«
»Was denn nun?«, bellte Keller.
Walther Vornholte sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. »Ich kannte sie so gut wie jeder andere hier. Sie war ein so herzlicher Mensch. Sie hat keinem was getan. Ich kann mir das alles einfach nicht erklären.«
Keller fixierte ihn. Er hätte nicht sagen können, ob der Alte ihnen etwas vorspielte. Seine Verzweiflung war echt, aber wer wusste schon, woher sie tatsächlich rührte.
Er ließ Gratczek seine Fragen stellen und verlagerte sich aufs Beobachten. Eine Weile drehte es sich noch um Rosa Deutschmanns Tod, dann wechselte Gratczek das Thema.
»Ihre Frau ist vor einem halben Jahr gestorben, nicht wahr?«, fragte er stattdessen.
»Was hat das denn damit zu tun?«, erwiderte Vornholte.
»Ich weiß nicht, können Sie uns das sagen?«
»Ich? Aber … ich verstehe nicht.«
»Sie haben uns verschwiegen, dass Ihre Frau auf dem Hof von Schulte-Steins aufgewachsen ist. Sie sind demnach der Schwager von Alfons Schulte-Stein.«
»Ich … Sie haben nicht danach gefragt.«
Keller wurde laut. »Was soll das denn jetzt, Herr Vornholte!«
Gratczek warf ihm wieder einen warnenden Blick zu.
»Wieso ist das denn wichtig?«, fragte Walther Vornholte kleinlaut. »Ich wusste nicht, dass das eine Rolle spielt.«
»Sie war eine Schwester von Alfons Schulte-Stein«, sagte Gratczek. »Natürlich ist es wichtig für uns, die familiären Verhältnisse zu kennen.«
»Wie war denn das Verhältnis Ihrer Frau zu den Schulte-Steins?«, fragte Keller.
»Sie hat sich nie wie eine Schulte-Stein gefühlt. Sie war adoptiert, natürlich. Genau wie Alfons. Aber das war alles. Sie hat ja später sogar den Namen abgelegt. In ihrem Pass stand geborene Vonnesand. Und nicht Schulte-Stein.«
»Da muss etwas Gravierendes vorgefallen sein, oder? So was macht man doch nicht ohne Grund.«
Vornholte schüttelte traurig den Kopf. »Sie … es war kein gutes Elternhaus. Sie hat sich dort als Kind nie wohlgefühlt. Otto und Anna Schulte-Stein waren keine warmherzigen Menschen. Sie haben die Kinder aufgezogen, das schon. Aber es hat dort nie so etwas wie Nestwärme gegeben.«
»Ihre Frau hat die Schulte-Steins gehasst«, meinte Keller. »Und sie hatte einen guten Grund dafür.«
»Nein, sie …« Er sackte ein wenig zusammen. »Nein, sie hat niemanden gehasst.«
»Wie war denn das Verhältnis Ihrer Frau zu Alfons Schulte-Stein?«, fragte Gratczek.
»Kühl. Er war damals ja so etwas wie ihr großer Bruder gewesen. Er wollte sie immer herumkommandieren und ihr sagen, wie sie zu leben hatte. Mit achtzehn ist sie weg vom Hof. Wir kannten uns da schon und wollten heiraten. Das ist alles ganz schnell und überstürzt gegangen. Vier Wochen später
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