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Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Titel: Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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bemerkte sie Carls Enttäuschung. »Nehmen Sie es nicht persönlich«, sagte sie.
    »Ich hätte nur so gern mit ihr gesprochen.«
    »Ein andermal vielleicht. Kommen Sie wieder. Heute ist kein guter Tag.«
    Bernhard Hambrock steuerte den Ausgang an. Carl erhob sich mühsam und nahm seinen Stock. Er zögerte. Etwas hielt ihn zurück. Er wollte noch nicht gehen.
    Er wandte sich an die Schwester. »Glauben Sie … Könnten Sie mich vielleicht anrufen, wenn ein Besuch sinnvoll ist? Wäre das möglich?«
    Sie wirkte unschlüssig. Offenbar war so etwas nicht üblich.
    »Ich würde so gern mit ihr sprechen.«
    Sie warf Bernhard Hambrock einen unsicheren Blick zu, dann wandte sie sich wieder an Carl und lächelte.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber ich will nichts versprechen.«
    Carl kramte einen Einkaufsbon hervor, ließ sich von Bernhard Hambrock einen Kugelschreiber geben und notierte seine Telefonnummer. Die Schwester nahm den Zettel zwar entgegen, aber Carl hatte den Eindruck, sie tat das nur aus Höflichkeit.
    »Ich war ein Nachbar von Ilse, wissen Sie«, sagte er. »Ilse und meine verstorbene Frau waren eng befreundet.«
    »Das war Mia?«
    »Ja. Richtig.«
    Sie lächelte und steckte den Zettel ein. Doch Carl hatte verstanden. Bei der nächsten Wäsche würde sie das zerknüllte Papierchen in der Hosentasche finden, kurz überlegen, woher es stammte, und danach würde es im Mülleimer landen.
    Er sah sich um. Wahrscheinlich war er zum letzten Mal hier. Ilse war in ihrer eigenen Welt, weit entfernt. Er dachte an den sonnendurchfluteten Garten hinter dem Kotten. An die beiden Frauen, die sich nach getaner Arbeit zum Kaffeetrinken unter die Linde setzten. An das Lachen in ihrem Garten.
    »Leb wohl, Ilse«, sagte er.
    Dann wandte er sich ab und folgte Bernhard Hambrock nach draußen. Schweigend kehrten sie zum Parkplatz zurück. Die Luft war klar und rein. Es roch nach Frost. Der Kommissar half Carl die letzten Stufen hinunter.
    »Jetzt habe ich Sie ganz umsonst hergeholt«, sagte er.
    »Ach, das macht nichts«, meinte Hambrock. »Einen Versuch war es wert.«
    »Ich hatte mir mehr davon versprochen.«
    Bernhard Hambrock öffnete die Wagentür und half ihm hinein. Dann setzte er sich hinters Steuer und fuhr los.
    »Ich bringe Sie jetzt wieder nach Hause.«
    Carl sah auf die Uhr.
    »Nein. Bringen Sie mich zu Moorkamp, Sie wissen schon, die Gastwirtschaft am Ortseingang, wo auch die Trauerfeier für Siegfried war. Da ist jetzt der allwöchentliche Stammtisch. Ich werde schon einen finden, der mich später nach Hause bringt.«
    »Also gut. Das liegt ja ohnehin auf dem Weg.«
    Sie fielen wieder in Schweigen. Carl ließ sich die Wintersonne ins Gesicht scheinen. Er dachte über den Besuch bei Ilse nach.
    »Und das alles an einem Sonntagmorgen«, sagte er schließlich. »Da hatten Sie bestimmt Besseres vor.«
    »Nein, nein. Ich hatte gar nichts vor.«
    Carl warf ihm einen Seitenblick zu. Da begriff er.
    »Sie waren bei Ihrer Schwester. Im Krankenhaus.«
    Der Kommissar nickte, ohne den Blick von der Straße zu lösen.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Carl.
    »Sie ist in künstlichen Tiefschlaf versetzt worden und wird jetzt beatmet. Die Ärzte fürchten, ihre Organe könnten versagen.«
    »Wieso haben Sie das nicht gesagt? Sie hätten nicht herkommen dürfen.«
    »Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Wenn sich ihr Zustand ändert, werde ich angerufen.«
    »Trotzdem, Herr Hambrock. Rosa ist tot. Daran können wir nichts mehr ändern. Denken Sie an die Lebenden. Seien Sie bei Ihrer Schwester. Sie werden den Mörder schon noch finden. Das muss nicht gleich passieren.«
    Carl dachte an Mias letzte Stunden. Sie wollte zu Hause sterben, aber dann lag sie doch wieder im Krankenhaus. Er selbst hatte den Notarzt gerufen. Aber da wusste er ja noch nicht, dass es dieses Mal keine Rückkehr geben würde. Er konnte sich genau an den Moment erinnern, als der Arzt auf ihn zutrat, um die Todesnachricht zu überbringen. Brockmann hatte auf seinem Namensschildchen gestanden, und über dem O war ein kleiner Fleck gewesen.
    Hambrock deutete hinaus auf die Straße. »Wir sind da.«
    Tatsächlich, vor ihnen lag die Gastwirtschaft.
    »Danke fürs Herbringen, Herr Hambrock. Alles Gute.«
    »Danke, und ich melde mich wieder bei Ihnen, Herr Beeke.«
    Carl stieg aus und sah dem Wagen hinterher, der auf die Bundesstraße in Richtung Münster fuhr. Er fühlte sich müde und erschöpft. Dieser Ausflug war anstrengender gewesen, als er geglaubt hatte.

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