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Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Titel: Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Patienten wir hier im Zeitraum eines halben Jahres haben? Haben Sie überhaupt eine Vorstellung?«
    Gratczek sah dem jungen Pfleger hinterher. Vielleicht sollte er sich besser mit dem unterhalten.
    »Wir können uns unmöglich an jedes Gesicht erinnern«, fuhr die Schwester fort. »Wir haben ja kaum noch Zeit, uns um die Patienten zu kümmern. Immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit. Was denken Sie, wie wir das alles machen sollen?«
    »Sie können sich also nicht an Fritz Schulte-Stein erinnern?«
    Sie warf einen weiteren Blick auf das Foto.
    »Und was wäre, wenn? Was wollen Sie dann von mir?«
    »Ein kräftiger Mann war bei ihm zu Besuch. Etwa fünfundvierzig bis fünfzig Jahre alt. Er war sehr groß und hatte eine auffällige …«
    »Ein Besucher? Jeden Tag kommen Dutzende Besucher hierher! Rechnen Sie das mal auf ein Jahr hoch! Was denken Sie denn, was wir den ganzen Tag machen? Kaffee trinken und uns die Leute angucken?«
    Eine Kollegin betrat das Schwesternzimmer. Eine stämmige dunkelhäutige Frau, die Autorität und Strenge ausstrahlte. Eine Frau, mit der man sich lieber nicht anlegte. Sie warf einen Blick auf das Foto, grüßte Gratczek mit einem Nicken und trat dann ans Waschbecken.
    »Nein, das denke ich natürlich nicht«, versuchte er zu beschwichtigen. »Ich frage mich nur, ob Sie ihn zufällig bemerkt haben.«
    Die hagere Schwester begann, auf dem Schreibtisch in den Unterlagen zu kramen. Offensichtlich hatte sie beschlossen, einfach weiterzuarbeiten.
    »Es war ein bulliger Mann mit Goldkettchen und einer großen Narbe im Gesicht«, fuhr er unbeirrt fort. »Er war mindestens zweimal bei Fritz Schulte-Stein zu Besuch. Gut möglich, dass der Patient danach auffallend niedergeschlagen oder nachdenklich war.«
    »Eine große Narbe, sagen Sie? Mitten im Gesicht?«
    Das war die Kollegin am Waschbecken. Gratczek wandte sich zu ihr um. »Ja. Erinnern Sie sich etwa?«
    Die andere Schwester nahm das zum Anlass, sich davonzumachen. Sie hielt es nicht einmal für nötig, sich zu verabschieden. Doch Gratczeks Aufmerksamkeit galt jetzt ohnehin der anderen, die gerade das Wasser abdrehte und sich die Hände abtrocknete.
    »Und ob ich mich erinnere. Der Mann da«, sagte sie und deutete auf das Foto, »war einer meiner Patienten. Ein freundlicher älterer Herr. Und ich sage Ihnen: Der Typ mit der Narbe ist mir sofort aufgefallen. Ich hab von Anfang an gewusst, mit dem stimmt etwas nicht.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Nach seinem ersten Besuch war der Patient so aufgeregt, da musste ich ein Beruhigungsmittel geben. Und ein paar Tage später tauchte dieser Typ schon wieder auf. Am liebsten hätte ich den vor die Tür gesetzt, aber Herr Schulte-Stein meinte, es wäre alles in Ordnung. Er käme schon zurecht.«
    »Hat Herr Schulte-Stein Ihnen gesagt, wer der Mann war?«
    »Nein, das wollte er nicht. Obwohl ich ihn dazu gedrängt habe.«
    »Wie oft haben Sie den Mann hier gesehen?«
    »Nur die beiden Male. Danach ist er nie wiedergekommen. Aber ich war stocksauer, das kann ich Ihnen sagen. Der Patient war todkrank, verstehen Sie? Da brauchte er Ruhe. Und dann kommt dieser Teufel mit der Narbe und bringt alles durcheinander.«
    »Können Sie mir sonst noch etwas über diesen Mann sagen?«, fragte er.
    »Kommen Sie!«
    Sie winkte ihn zu sich ans Fenster und zeigte hinaus. Unten war der Parkplatz zu sehen.
    »Ich habe seinen Wagen gesehen. Er fuhr einen dunkelblauen VW Passat. Zehn, höchstens zwölf Jahre alt, schätze ich.«
    Gratczek kniff die Augen zusammen. »Wie wollen Sie das von hier oben beurteilen können?«
    Sie griff nach einem Opernglas, das auf der Fensterbank neben einem Alpenveilchen stand. Als sie seinen Blick bemerkte, stellte sie fest: »Das ist nicht meins. Aber wo es nun mal hier steht, kann man es auch benutzen.«
    Er sah hinunter auf den Parkplatz.
    »Wenn Sie das Baujahr erkennen konnten, haben Sie da zufällig auch das Kennzeichen des Wagens gesehen?«
    Sie stellte das Opernglas ruckartig ab, ging zum Schreibtisch, zog eine Schublade auf und begann darin zu wühlen. Einweghandschuhe, Kanülen, Gummibänder, Kaugummis, alles wurden auf den Schreibtisch gepackt. Schließlich ein triumphierendes »Wer sagt’s denn!«, und sie hielt Gratczek einen Klebezettel unter die Nase, auf dem ein Autokennzeichen notiert war.
    »Ich hab mir gedacht: Sicher ist sicher. Dieser Typ war mir nicht geheuer. Irgendwas hat der mit meinem Patienten angestellt, und ich hab keine Ahnung, was. Es schmeckt mir

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