Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
vergessen.“
Er wandte sich ab und ließ mich sprachlos stehen. Unschlüssig sah ich ihm nach, wie er zu einer Gruppe neben dem Spielfeld ging, dann suchte ich meinen Sitzplatz und fand Zachary in ein Gespräch mit einigen Jungs vertieft. Ich setzte mich und hörte still zu. Es ging anscheinend um ein Mädchen aus Winchurch. Nicht, dass mich das interessiert hätte.
„Und? Hat Yves dir alles gezeigt?“, fragte Zachary mich und lächelte.
Oh, ich hätte ihm beinahe mehr gezeigt, als du jemals wissen willst, dachte ich, bevor ich es schaffte zu nicken. „Ja, ich weiß jetzt auch, welcher Wohneinheit ich zugeteilt werde!“
„Aha?“
„Ja, ich ziehe bei Yves und seinen Freunden ein … Weißt du“, sagte ich, als ich mich an Yves schreckliche Traurigkeit erinnerte, „was mit dem Fünften von denen passiert ist?“
Zachary nickte und seine Miene verdunkelte sich. Vielleicht hatte ich mit meiner ersten Vermutung, er sei nicht mehr am Leben, wirklich recht?
„Ich erkläre es dir nachher zu Hause, okay?“
Ich nickte. Nun konzentrierte ich mich auf das Rugbyspiel. Die Regeln waren mir bekannt, die einzelnen Spielzüge aber musste ich mir erklären lassen. Das übernahmen abwechselnd Zachary und Damian, der Junge, der eben noch mit meinem ‚Onkel‘ über das Winchurchmädchen gesprochen hatte.
Immer wieder wanderte mein Blick über die Zuschauer und auch über die Jungs in Schuluniformen, die sich am Spielfeldrand aufhielten, trotzdem sah ich Yves nicht mehr und stellte voller Frustration fest, wie sehr mich das störte.
Kapitel 3
Meine wenigen Sachen waren schnell in mein Zimmer gebracht, zumal mir vier Jungs dabei halfen. Gregorio, William, Frank und Yves.
Die vier hatten vom Dekan für heute frei bekommen und sie alle waren hilfsbereit und freundlich. Mein Zimmer war das zwischen Franks und Yves’, was ich nicht unbedingt super fand, aber doch auch nicht schlecht. Es hatte einen kleinen Flur, dann erst lag der mir schon bekannte L-förmige Raum vor mir. Auch hier trennte ein dreitüriger Kleiderschrank die Bettnische vom restlichen Zimmer.
In der Luft des Raumes hing übrigens kein fremder Geruch mehr. Mir fiel auf, dass ich vergessen hatte, Zachary noch einmal auf den früheren Bewohner anzusprechen, als wir abends nach Hause gekommen waren. Vielleicht war das aber auch gar nicht so schlimm? Vielleicht wollte ich lieber nicht wissen, was mit ihm passiert war?
Offensichtlich hatten die Putzfrauen gründlichst gearbeitet, und wie ich sah, hatte ich sogar eine nagelneue Matratze bekommen. Die zahlreichen Regale, wie ich sie bei Yves gesehen hatte, gehörten nicht zur Standardausstattung. Er musste sie sich nach und nach selbst angeschafft haben.
Ich überlegte, ob ich mir auch welche von Zachary wünschen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Ich brauchte höchstens eines, da ich sowieso keine Bücher zu kaufen brauchte. Und dieses eine gab es über dem Kopfende des Bettes. Zachary lieh mir, was immer ich lesen wollte, und das dürfte reichen.
Was ich stattdessen mit den kahlen Wänden im Hauptraum des Zimmers machen sollte, wusste ich noch nicht. Vielleicht eine gemütliche Leseecke? Aber die hatte ich bei Zachary am Kamin oder in der Schulbibliothek, die sich wirklich sehen lassen konnte, und die mit zahlreichen versteckten Nischen zum Verweilen und Schmökern einlud.
Einmal mehr wurde mir klar, wie sehr ich mein altes Leben vermisste.
Meine Kleidung fand im Schrank Platz, die wenigen Bücher, an denen ich derzeit las – ich las immer mindestens vier parallel – konnte ich auf dem kleinen Regal am Kopfende des Bettes lassen, ebenso meinen Wecker. Dekokram hatte ich nicht, aber mein neuer Laptop und mein Schulkram fanden am Schreibtisch ausreichend Raum. Nachdem wir alles heraufgeschleppt hatten, die Kleidung verstaut war und auch mein Schreibtisch aussah, als würde ich tatsächlich schon daran arbeiten, sah ich mich im Zimmer um. Ja, es gefiel mir, auch wenn die weißen Wände noch zu kahl wirkten.
Sollte ich mir Poster bestellen? Oder lieber Farben kaufen und … Ja! Das war die ultimative Lösung!
Ich kramte meinen Zeichenblock und ein paar Bleistifte aus der unteren Lade des Schreibtisches und skizzierte etwas. Eine Anatomiestudie, nackter Männeroberkörper. Ich verpasste dem Torso noch andeutungsweise Flügel und nickte.
Erst danach merkte ich, dass meine vier Mitbewohner fassungslos auf meine Schnellzeichnung starrten.
„Wow!“
„Das sieht voll echt aus.“
„Wie hast
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