Duft des Mörders
verwitwete Frau kümmerte sich aufopfernd um ihre Grünpflanzen und ihre elf Neffen, die alle im Umkreis von knapp hundert Meilen lebten. Dass vier von ihnen noch Junggesellen waren, gute Jobs und eigene Wohnungen hatten, betonte Magdi nur zu oft.
Jenna mochte sie von dem Moment an, als sie nach der Heirat mit Adam ins Regent zog. Da sie außer fernzusehen nicht viel zu tun hatte, bekochte Magdi das viel beschäftigte Ehepaar mindestens zweimal die Woche.
Jennas Proteste waren zwecklos. „Es macht mich glücklich, für Sie zu kochen“, erklärte Magdi ihr in ihrem breiten, wohlklingenden ungarischen Akzent. „Und außerdem müssen Sie ja was essen, oder?“
Um sich bei Magdi erkenntlich zu zeigen, nahm sich Jenna jede Woche ein paar Stunden Zeit, um mit ihr einzukaufen, sie zum Friseur zu begleiten und mit ihr zum Arzt zu gehen. Manchmal spendierte sie ihr auch eine Karte für ein Broadway-Stück oder ging mit ihr im Seppi’s oder im Da Rosina essen, Magdis Lieblingslokalen.
Die meisten anderen Nachbarn machten einen großen Bogen um Magdi, aber nicht, weil sie neugierig war – obwohl das durchaus zutraf –, sondern weil sie manchmal Dinge sah, die nicht existierten, zum Beispiel verschlüsselte Botschaften im Fernsehen oder ihren verstorbenen Ehemann Sándor, der sie angeblich oft besuchte. Erst vor kurzem hatte sie beteuert, Captain Kirk aus der TV-Serie
Raumschiff Enterprise
wohne im Gebäude. Jeder hielt sie für verrückt, und besonders feindselig verhielt sich der Nachbar im Stockwerk unter ihr. Er schäumte vor Wut, dass Magdis Miete nur einen Bruchteil dessen betrug, was er selbst monatlich für die Rückzahlung seines Darlehens aufbringen musste, und leitete eine Unterschriftenaktion in die Wege, damit ihr gekündigt wurde. Sam Meyerson vermittelte Magdi sofort an einen Anwalt, der dafür sorgte, dass die Unterschriftenaktion auf der Stelle gestoppt wurde. In Wahrheit war Magdi einsam, und mit ihren ‚Visionen‘ wollte sie auf sich aufmerksam machen.
Sie sah, dass Jenna fror, und fragte in mütterlichem, fast vorwurfsvollem Tonfall: „Wieso haben Sie keine Jacke an?“
„Ach, das ist eine lange Geschichte, Magdi.“
Als die ältere Frau an ihr vorbei in die Wohnung ging, stieg Jenna das Aroma aus dem Kochtopf in die Nase. Heute Abend gab es Hühnchen
paprikás
, ein köstliches Gericht aus zartem Hühnchenfleisch, Zwiebeln und saurer Sahne.
„Magdi“, sagte sie mit einem leicht mahnenden Unterton, „Sie kochen für mich seit fünf Tagen am Stück. Das ist wirklich zu viel des Guten.“
Wie üblich ignorierte Magdi den Protest. „Sie müssen etwas Kräftigendes essen. Sie rennen den ganzen Tag nur rum und haben keine Zeit zum Essen. Wenn Sie nichts essen, dann werden Sie krank.“ Sie stellte den Kochtopf auf den Tresen in der Küche. „Ich habe genug gekocht, damit es auch für morgen Abend reicht. Morgen bin ich nämlich nicht da.“
Jenna stellte den Topf in den Ofen und schaltete ihn auf niedrige Stufe, um das Essen warm zu halten. „Wo wollen Sie hin?“
„Zu einem meiner Neffen. Er hat Geburtstag.“ In ihren Augen war ein Funkeln, das Jenna bestens vertraut war. „Sie erinnern sich doch bestimmt an Jimmy, oder? Er arbeitet bei Bloomingdale’s. Habe ich schon erzählt, dass er befördert wurde?“
Jenna lächelte. Magdi wollte sie mal wieder verkuppeln. „Mehr als einmal. Er ist Abteilungsleiter geworden, richtig? Herrenoberbekleidung.“
Magdi strahlte sie an. „Ja, mein Jimmy ist so ein guter Junge. Und er sieht auch gut aus. Und er kann kochen.“
Letzteres hielt sie für besonders erwähnenswert, da es kein Geheimnis war, dass Jennas Kochkünste gleich null waren.
Bevor Jenna einen Weg fand, das Thema zu wechseln, tat Magdi ihr diesen Gefallen. „Sie sehen erschöpft aus, Jenna. Sind Sie müde? Soll ich lieber gehen?“
„Nein, nein, Magdi, schon in Ordnung. Ich habe nur ein paar schwere Tage hinter mir.“
„Schwere Tage? Wieso?“
Jenna konnte die Wahrheit nicht verschweigen. Angesichts dessen, wie im Haus der Klatsch und Tratsch blühte, war es ein Wunder, dass Magdi noch nichts davon wusste. „Es geht um Adam. Er wurde umgebracht.“
Magdi legte die Hände vor den Mund. „Wie schrecklich. Was ist geschehen?“
„Jemand wollte ihn am Montagabend ausrauben. Die Polizei sagt, er habe sich gewehrt und sei deshalb getötet worden.“ Mehr sagte Jenna nicht. Sie sah keinen Grund, ins Detail zu gehen.
„Adam war ein guter Mann“, sagte Magdi mit Tränen
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