Duft des Mörders
in den Augen. „Ein Dummkopf, weil er Sie gehen ließ, aber ein guter Mann.“ Fast im gleichen Atemzug fügte sie an: „Sándor hat mich gewarnt, dass etwas Schreckliches passieren würde, aber ich wollte ihm nicht glauben.“ Sie sprach mit tiefer Überzeugung, als habe ihr Ehemann ihr wirklich vor einigen Tagen einen Besuch abgestattet, um eine düstere Prophezeiung auszustoßen.
Sie unterhielten sich noch einige Minuten lang, oder besser gesagt: Magdi redete, erzählte von Adam und Sándor und von dem Nachbar aus dem Stockwerk unter ihr, der sich geweigert hatte, sie im Aufzug zu grüßen, obwohl sie ihn sogar dreimal gegrüßt hatte.
Die Kuckucksuhr, die Jenna vor vielen Jahren von einer Reise nach Deutschland mitgebracht hatte, schlug sechs, woraufhin Magdi aufstand und mahnend den Zeigefinger hob. „Bleiben Sie nicht zu lange auf. Essen Sie von dem Hühnchen, nehmen Sie ein warmes Bad, und dann legen Sie sich schlafen. Morgen werden Sie sich schon viel besser fühlen.“
Jenna brachte sie noch bis zur Tür. „Ich glaube, Sie haben Recht, Magdi. Und vielen Dank für das Essen.“
Nachdem Magdi gegangen war, hörte Jenna den Anrufbeantworter ab. Eine der Nachrichten war von ihrer Freundin Beckie, die in TriBeCa einen Friseursalon betrieb. Sie war zurück von einem Besuch bei ihrer kranken Mutter und hatte soeben von Adams Tod erfahren.
„Komm doch morgen ins Geschäft“, sagte sie zum Schluss. „Du brauchst sowieso einen neuen Schnitt.“
Die beiden anderen Nachrichten stammten von Frank Renaldi. Offenbar wollte er sich bei ihr für sein ungebührliches Verhalten entschuldigen. Oder besser ausgedrückt: sich bei ihr einschleichen. Es kümmerte sie nicht. Er hinterließ gleich drei Nummern, unter denen er zu erreichen war – Büro, zu Hause und Handy.
„Da kannst du lange warten“, murmelte sie und löschte die Nachrichten.
Jenna gönnte sich ein Schaumbad und lag mit geschlossenen Augen in der Wanne, den Kopf auf einem Frotteekissen. Magdi war alt, und sie war weise. Ein heißes Bad mit ätherischen Ölen war genau das, was Jenna nötig hatte, um ihre überreizten Nerven zu beruhigen. Allmählich ließ die Anspannung nach, jetzt, da die Ereignisse dieses wirren Tages in den Hintergrund traten.
Sie wurde aus ihrer erholsamen Entspannung gerissen, als jemand an der Tür klingelte. Das konnte nur Magdi sein. Sie fand immer wieder einen Vorwand, um mehrmals am Abend bei ihr vorbeizuschauen. Jenna konzentrierte sich wieder auf ihr Schaumbad. Wenn sie nicht aufmachte, würde Magdi es sicher bald aufgeben.
Es klingelte ein zweites, dann ein drittes Mal, und jedes Mal hörte es sich ungeduldiger an.
Leise fluchend stieg Jenna aus der Wanne, zog ihren weißen Frotteemantel an und stürmte barfuß zur Wohnungstür.
Darauf bedacht, Magdis Gefühle nicht zu verletzen, atmete sie einmal tief durch, bis sie wieder ruhiger geworden war, erst dann öffnete sie die Tür.
Draußen im Flur stand Frank Renaldi. In der rechten Hand hielt er eine weiße Flagge, die er aus einem Strohhalm und einem Stück Papier gebastelt hatte, die andere Hand hielt er hinter dem Rücken verborgen.
Seine Augen funkelten schelmisch, während er die Fahne hin und her schwenkte. „Ich komme in Frieden.“
Jenna musste eingestehen, dass die weiße Fahne eine süße Idee war. Sie hätte zu dem alten Frank gepasst. Aber die Verletzungen von ihrem letzten Treffen waren noch zu frisch. „Was willst du, Frank?“
„Ich dachte, dein Telefon ist kaputt.“
„Mein Telefon ist in Ordnung. Was willst du?“
„Ich möchte dich um Verzeihung bitten. Wir beide haben keinen guten Start gehabt.“
„Und wessen Fehler war das?“
„Ausschließlich mein Fehler. Deshalb bitte ich dich darum, dass ich mich bei dir entschuldigen darf.“
„Da kommst du etwa sechsunddreißig Stunden zu spät.“
„Es gehört nun mal nicht zu meinen Stärken zuzugeben, wenn ich im Unrecht bin. Das weißt du ganz genau.“
„Glaubst du etwa, mir ist es leicht gefallen, dich aufzusuchen? Fünfzehn Jahre lang habe ich nichts von dir gehört, aber trotzdem bin ich zu dir gegangen. Ich war so dumm zu glauben, unsere gemeinsame Trauer würde ausreichen, um unsere Meinungsverschiedenheiten beizulegen und so etwas wie eine Allianz zu bilden.“
„Ich war auf deinen Besuch nicht gefasst.“
„Du warst auch nicht auf Adams Besuch gefasst, trotzdem hast du ihn nicht rausgeworfen.“
„Ich habe dich nicht rausgeworfen.“
„Du warst nahe dran.“
Ein
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