Duft des Mörders
ihm alle Dateien auf Adams Computer zu kopieren und sie ihm zu geben. Dabei bin ich dann auf etwas sehr Beunruhigendes gestoßen.“
„Und was?“ fragte Jenna, die mit einem Mal ein Kribbeln verspürte.
„Das kann ich nicht am Telefon erzählen.“
„Haben Sie diese Datei noch? Befindet sie sich noch auf Adams Computer?“
Claire sprach im Flüsterton, als befürchtete sie, jemand könnte sie belauschen. „Ich habe die entsprechende Datei von Adams Computer gelöscht.“
„Oh, Claire“, entgegnete Jenna, deren Hoffnungen, auf eine Spur zu stoßen, damit zunichte gemacht waren. „Es hätte doch etwas Wichtiges sein können.“
„Ich habe für mich eine Kopie gemacht. Die habe ich hier bei mir.“
Jenna stieß einen erleichterten Seufzer aus und stand auf. „Ich bin gleich bei Ihnen“, erklärte sie ohne Rücksicht auf die Uhrzeit.
Wenn jemand das Musterbeispiel für die perfekte Sekretärin war, dann war es Claire Peabody. Sie war tüchtig, engagiert und so schweigsam wie ein Grab. Sie hatte zwei Söhne allein großgezogen und lebte noch immer in der Wohnung, in die sie vor fünfundzwanzig Jahren eingezogen war. Jenna hatte die zurückhaltende Frau vom ersten Augenblick an gemocht, und es hatte nie einen Grund dafür gegeben, ihre Meinung über Claire zu ändern.
Claire empfing sie an der Wohnungstür. Sie war eine kleine, unscheinbar wirkende Frau mit streng frisiertem braunen Haar und dunklen, eng stehenden Augen, in denen sich jetzt ein so niedergeschlagener Ausdruck widerspiegelte, als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen.
Für einen Moment lagen sich die beiden Frauen in den Armen. „Ich bin froh, dass Sie herkommen konnten“, sagte Claire. Sie sprach wieder im Flüsterton. „Ich wäre sonst bestimmt noch verrückt geworden.“
„Um was geht es denn, Claire?“
„Es ist besser, wenn ich es Ihnen zeige.“
Jenna folgte ihr ins Esszimmer, wo ein Laptop auf dem Mahagonitisch stand. Gleich daneben stand ein Laserdrucker. Claire griff in ihre Tasche und holte eine Diskette hervor.
„Das Ding trage ich jetzt seit zwei Tagen mit mir herum“, sagte sie. „Ich wusste nicht, was ich damit anfangen soll.“ Sie schob die Diskette in den Laptop und tippte das Passwort:
Idiot
.
„Das war Adams Spitzname für einen Richter, den er überhaupt nicht ausstehen konnte“, erklärte Claire lächelnd. „Ihren Vater hat er damit nicht gemeint.“
Im nächsten Moment erschien auf dem Monitor eine Weltkarte. Russland und einige andere Länder waren rot gefärbt, die USA blau, der Rest der Welt war gelb. Zwischen New York und einer Insel namens Nauru im Südpazifik, von der Jenna noch nie gehört hatte, verlief eine schwarze Linie, die sich über die Kaiman-Inseln bis nach London erstreckte. In London nahm eine grüne Linie ihren Anfang, die über Moskau bis in den Jemen verlief und dort endete.
Die Kartenlegende am unteren Bildschirmrand erklärte, dass rote Länder wie Nauru, Indonesien, Russland, Nigeria und einige andere für Geldwäsche besonders geeignet seien. Unter der Karte beschrieb ein kurzer Text, wie man illegal erwirtschaftetes Geld aus den USA herausschaffen konnte:
„Mr. X ist Drogendealer in den USA und will seine illegalen Einnahmen außer Landes schaffen. Er eröffnet ein Konto bei einer Bank auf Nauru und zahlt das Geld dort ein. Diese Bank wiederum eröffnet ein Konto bei einer großen Bank in London. Obwohl das Konto dort auf die Bank von Nauru lautet, kann Mr. X es dazu benutzen, überall auf der Welt Schecks auszustellen, Beträge einzuzahlen, abzuheben oder zu überweisen. Diese Transaktionen erfolgen zwar technisch gesehen in Großbritannien, aber das Geld befindet sich nach wie vor auf Nauru. Sollte jemand den Weg des Geldes zurückverfolgen wollen, gelangt er nur bis zum Londoner Konto der Bank von Nauru, alles Weitere wird durch das strenge Bankgeheimnis von Nauru unterbunden.“
Jenna sah Claire an. „Denken Sie, Adam hat Geld außer Landes gebracht?“
Claire sagte nichts, machte aber eine todunglückliche Miene.
„Das hätte er niemals getan, Claire. Adam war einer der ehrlichsten Menschen, die mir je begegnet sind.“
Tränen liefen Claire über die Wangen. „Ich bin zu aufgeregt, um klar denken zu können.“
„Haben Sie irgendjemandem hiervon erzählt?“
Claire schüttelte den Kopf. „Ein gewisser Detective Stavos kam ins Büro und sprach mit einigen von uns, aber ich habe nichts gesagt.“ Sie tupfte sich ihre Tränen mit einem
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