Duft des Mörders
verkaufen.“
Frank wandte sich um und sah sich einer attraktiven älteren Frau in einem eleganten schwarzen Kostüm gegenüber. „Ich bin Letitia Vaughn“, stellte sie sich vor und blickte die beiden an.
Frank reichte ihr die Hand. „Frank Renaldi. Ich bin ein Freund der Künstlerin. Und das hier ist mein Sohn Danny.“
„Hallo, Danny.“ Zu Frank sagte sie: „Ich erinnere mich nicht, Sie am Eröffnungsabend gesehen zu haben.“
„Da hatte ich keine Zeit“, log er.
„Und was halten Sie von den Bildern?“
Er drehte sich wieder um und betrachtete eines der Fotos. Es zeigte zwei Taxifahrer, die den Kopf aus den Seitenfenstern ihrer Yellow Cabs steckten und sich gegenseitig anschrien. „Ich bin kein Experte, aber sie sind alle sehr gut und – ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll – alle wie aus dem Leben gegriffen.“
Sie schien mit seiner Antwort zufrieden. „Und was ist mit dir, junger Mann?“ fragte sie an Danny gewandt. „Was denkst du?“
Der Junge zuckte mit den Schultern. „Sie sind ganz okay.“
„Aber es wäre besser, wenn Sportler darauf zu sehen wären, richtig? Lass mich raten. Football? Soccer?“
Danny taute der Galeristin gegenüber allmählich auf. „Eishockey.“
Letitia musterte ihn. „Ja, natürlich. Eishockey. Ich hätte es wissen müssen. Du hast dafür genau die richtige Statur.“ Sie dachte kurz nach. „Wenn ich mich nicht irre, dann finden sich in Jennas Sammlung auch einige Fotos der New York Rangers. Vielleicht solltest du sie mal fragen, ob sie dir die Bilder zeigt.“
Der Junge machte keinen besonders begeisterten Eindruck. „Warum will sie die Fotos nicht verkaufen?“
Letitia lachte. „Ist er immer so neugierig?“
„Das ist ein Fluch, der auf der ganzen Familie lastet.“
„Weißt du, Danny, das ist sogar eine sehr gute Frage, die bei der Eröffnung auch sehr viele Besucher gestellt haben. Die Antwort ist ganz simpel: Jenna möchte diese Fotos eines Tages in einem Bildband veröffentlichen. Indem man die Arbeiten eines Künstlers in so einer Ausstellung zeigt, weckt man das Interesse der Öffentlichkeit. Und je mehr Menschen auf Jennas Fotos aufmerksam werden, umso besser wird sich ihr Buch später verkaufen.“
Letitia ging mit den beiden von einem Foto zum nächsten und erklärte ihnen, wie die Künstlerin die Seele ihrer Motive, die Hoffnungen und Ängste und sogar die Verzweiflung der abgelichteten Menschen eingefangen hatte. Frank bemerkte voller Überraschung, dass Danny aufmerksam zuhörte, und der Junge stellte hin und wieder sogar Fragen. Das war weit mehr, als er von seinem Sohn erwartet hätte, und genau das sagte er ihm auch, als sie die Galerie verließen.
„Ich wollte bloß für den Aufsatz nächste Woche Zeit sparen.“
„Was für ein Aufsatz?“
„Wir sollen über eine Karriere schreiben und darüber, warum die Leute sich für eine bestimmte Karriere entscheiden.“ Er hielt die beiden Broschüren hoch, die Letitia ihm mitgegeben hatte. „Jetzt brauche ich mir nichts mehr auszudenken und muss nichts mehr nachschlagen. Ich schreibe über die Karriere einer Fotografin und nehme für den Aufsatz die Informationen, die hier drinstehen.“
Frank musste lachen. „Ich hätte wissen müssen, dass etwas in der Art hinter deinem regen Interesse steckt.“
„Aber ich schummele doch nicht, oder, Dad?“
„Nein, Kumpel, das machst du nicht. Du könntest sogar noch einen viel besseren Aufsatz schreiben, wenn du mit der Künstlerin selbst reden würdest. Was hältst du davon? Möchtest du Jenna kennen lernen?“
Danny zuckte unentschlossen mit den Schultern, also vertiefte Frank das Thema nicht weiter.
26. KAPITEL
D ie Renaldis waren gerade mit dem Abendessen fertig, als die Türglocke ging. Vinnie stand auf. „Ich sehe nach, wer es ist. Du kannst mit Danny den Tisch abräumen.“
Augenblicke später kam er in die Küche zurück. „Da ist ein Mann, der behauptet, er sei ein alter Freund von dir, Frank. Aber sein Name sagt mir nichts. Ich habe ihm gesagt, er soll auf der Veranda warten.“ Auf Franks fragenden Blick hin erklärte Vinnie: „Er heißt Carl Badger.“
Franks Blutdruck schoss in die Höhe. Es gab nur wenige Namen, die ihn so reagieren ließen. Auch jetzt, nach gut zwei Jahren, fiel es ihm schwer, seine Wut im Zaum zu halten. FBI-Agent Carl Badger hatte Frank darum beneidet, dass dieser zum Leiter der
Bratstvo
-Sonderkommission ernannt worden war. Da er älter war und mehr Dienstjahre hinter sich gehabt
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