Duft des Mörders
arbeite nicht gern mit Filtern“, fügte sie noch hinzu. „Ich möchte die Wirklichkeit so festhalten, wie sie ist, ohne sie künstlich zu verändern.“
Keinen Augenblick zu früh erreichten sie die Sunset Road. Der Junge konnte es vermutlich kaum erwarten, endlich aus dem Wagen zu steigen und von ihr wegzukommen. Sie wollte ihm helfen, die schwere Tasche mit seiner Ausrüstung aus dem Kofferraum zu heben, doch er war schneller.
„Hab sie schon“, meinte er nur.
Als Jenna vor einer Stunde abfuhr, um Danny vom Eishockeytraining abzuholen, herrschte in Vinnies Haus himmlische Ruhe. Das war nun nicht mehr so. Vinnie und Franks Mutter waren eingetroffen, und Jenna konnte die beiden schon von der Straße her hören.
„Meine Großmutter ist da“, rief Danny, während er die Tür öffnete. „Sie wird für Sie kochen wollen. Besser, Sie wehren sich nicht dagegen.“
Jenna unterdrückte ein Lachen. Sie erinnerte sich sehr gut daran, dass die Mahlzeiten im Hause Renaldi etwas Heiliges waren und dass nach Ansicht von Mia Renaldi mindestens die halbe Einwohnerschaft von New York an Unterernährung litt – ein Problem, dem sie nach Kräften entgegenwirkte.
Mia und Vinnie standen vor dem Sofa und gaben Frank widersprüchliche medizinische Ratschläge, wobei sie sich zwischendurch immer wieder darüber stritten, wer von ihnen denn nun Recht hatte. Irgendwie war es Frank gelungen, das Bett zu verlassen, und er hatte sich im Wohnzimmer auf die Couch gelegt. Eine Entscheidung, die er wahrscheinlich längst bereute. Vergeblich versuchte er, seine Mutter und seinen Onkel zum Schweigen zu bringen.
Amüsiert musterte Jenna den alten Mann. Sein dunkles Haar hatte einen zinngrauen Farbton angenommen, doch auch wenn er in den letzten fünfzehn Jahren unübersehbar gealtert war, wirkte er immer noch kraftvoll und agil. Mia dagegen hatte sich nicht verändert. Sie war noch immer eine zierliche Person, deren Haar so dunkel und voll war wie das ihres Sohnes. Auch ihre Stimme war unverändert laut, sodass man sie nicht überhören konnte.
„Dad!“ Danny eilte zu seinem Vater. „Bist du okay, Dad? Tut dir was weh?“
Frank fuhr ihm durch das vom Training noch schweißnasse Haar. „Mir geht’s gut, Kumpel. Es sieht schlimmer aus, als es ist.“
Während Danny seinen Vater mit Fragen überschüttete, drehte sich Mia zu Jenna um und streckte die Arme aus, um sie zu begrüßen. „
Bella.
Komm her zu mir!“
Jenna ließ sich von ihr umarmen. „Wie geht es dir, Mia?“
Die alte Frau ließ sie los und stieß einen dramatisch klingenden Seufzer aus. „Gar nicht gut, Jenna. Als Frankie das FBI verließ, da dachte ich, ich bräuchte mir endlich keine Sorgen mehr um ihn zu machen. Ich weiß nicht, ob ich dir das jemals gesagt habe, aber es hat mir nie gefallen, dass er irgendwelche verbrecherischen Genies und Serienmörder jagt.“ Sie hob die Arme und ließ sie in einer Geste der Hilflosigkeit sinken. „Sieh ihn dir an. Sieh dir an, was sie mit meinem Jungen gemacht haben.“
„Stan sagt, das wird schon wieder.“
„Ach, Stan lügt!“ Sie fuchtelte mit dem Zeigefinger vor Jennas Nase herum. „Und was ist mit dir? Wieso habe ich dich nie mehr zu sehen bekommen?“
„Tut mir Leid, Mia. Ich weiß, ich hätte dich besuchen sollen.“
Mia sah sie rasch von oben bis unten an und tätschelte Jennas Hüften. „Du siehst dünn aus. Hast du abgenommen? Vinnie, meinst du, sie hat abgenommen?“
„Lass das Mädchen in Ruhe“, entgegnete Vinnie. „Sie sieht fantastisch aus. Wäre ich zwanzig Jahre jünger, ich würde sie glatt heiraten.“ Er winkte Jenna zu sich. „Komm her und gib Onkel Vinnie einen dicken Kuss.“ Auch er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. „Danke, dass du Danny abgeholt hast.“
„Gern geschehen. Er ist ein hübscher Kerl.“
„Er kommt ganz nach seinem Großonkel.“ Vinnie hob den Kopf, schob das Kinn vor, stellte einen Fuß nach vorn und stemmte den Arm in die Hüfte. „Oder findest du nicht?“
Jenna schmunzelte, und sie erinnerte sich daran, wie mühelos es Vinnie damals immer gelungen war, sie zum Lachen zu bringen. „Du bist unverändert der attraktivste Mann von ganz New York, Vinnie.“ Dann wurde sie ernst. „Als ich ging, hat Frank im Bett gelegen. Wieso ist er jetzt hier unten?“
„Er sagt, er habe nur ein Nickerchen gemacht und fühle sich schon besser, darum sei er nach unten gekommen.“
„Er fühlt sich nur besser, weil Stan ihm Schmerzmittel verabreicht hat. Er
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