Duftspur
für Kristallkugeln verwendet. – Den kennst du auch, oder?« Sie lässt den rosafarbenen Stein zurück in meine Hand gleiten.
»Rosenquarz?« Ich fühle mich wie ein Schüler bei einer Exkursion, der ständigen Wechselwirkung ausgesetzt zwischen dem Verlangen, tatsächlich sein Wissen zu erweitern und dem, die Lehramtsanwärterin näher kennen zu lernen.
»Bernstein ist auch klar, denke ich.« Ich nicke dazu.
»Wobei, wusstest du, dass dieser organische Edelstein aus fossilem Harz von Kiefern, die vor vielen Millionen Jahren gewachsen sind, stammt?«
Ich schüttle den Kopf.
»Dieser Stein gefällt mir persönlich besonders«, sie hält ein schwarz glänzendes Exemplar ins Licht der kleinen Fenster. »Es ist ein Hämatit, den man wohl auch im Lahn-Dill-Kreis finden kann.«
Ich ziehe staunend die Brauen hoch.
»Weiter gereist ist dieser Blaue hier. Er kommt wahrscheinlich aus dem Hindukusch und nennt sich heute Lapislazuli, bekannt auch als Saphir.« Jetzt schaut sie genauer. »Nein, er ist nur nachgeahmt, siehst du?«
»Was?«
»Es fehlen die kleinen Goldsprenkel, der Pyrit.«
»Ah«, sage ich, »hätte ich ja auch selbst drauf kommen können«, ich mime Entrüstung über meine Unzulänglichkeit. Jetzt lächelt ihr ganzes Gesicht.
»Das ist ein Mondstein. Er gilt als Zeichen der Liebe in manchen arabischen Ländern, heißt es«, sie schaut das weiße, bläulich irisierende Exemplar mit einem Ausdruck von Melancholie an.
»Der hier ist was besonderes«, sie hält einen grünen, glänzend polierten Stein in ihrer Hand.
»Es ist ein Malachit. Den findet man unter anderem in Russland, doch der hier könnte auch aus dem Siegerland stammen. In Herdorf auf der ›Blauen Halde‹ kann man ihn finden. Denn der Malachit kommt zum Beispiel in der Oxidationszone von Kupferlagerstätten vor ...«
»Ich bin beeindruckt«, unterbreche ich ihren Vortrag und schaue, ich gestehe es, unhöflicherweise aber gleichwohl notwendigerweise auf meine Uhr. Es entgeht ihr nicht.
»Die Pause ist um – doch diesen Stein muss ich dir unbedingt noch erläutern bevor du gehst«, sie nimmt einen der graubunten Runden, einer jener, die aus Michaels Shorts stammen und die ich unter normalen Umständen für einfache Kiesel gehalten hätte.
»Diese Steine sind von besonderer Härte und sie enthalten Arsen«, ihre Stimme senkt sich zu einem Flüstern, »daneben enthalten sie auch noch Schwefel. Umgangssprachlich nutzt man ihre Bezeichnung auch schon mal synonym für Geld«, ihre Stimme schwillt wieder an: »Her mit dem Kies!«
Macht sie sich lustig, will Kalle wissen.
»Dacht ich mir es doch«, füge ich unbeholfen zu meiner Ehrenrettung an, derweil mich meine Schwester peinlich findet, wie damals, als ich ein Mädchen, für das ich schwärmte, aufsuchte, Schwesterchen im Schlepptau, da sie die Fahrerlaubnis hatte, klingelte und sagte, ich sei gerade auf dem Weg nach Hause zufällig hier vorbeigekommen, dabei wohnte das Mädel in Netphen und ich in Burbach, rund 30 Kilometer voneinander entfernt. Eilig stecke ich die Steine wieder ein.
»Behalt ihn ruhig«, sage ich zu ihr, die den Malachit immer noch in Händen hält.
»Nein«, wehrt sie ab und streckt ihn mir entgegen, »ich habe doch genug.« Sie lächelt verlegen, ich nehme den Stein und werfe ihn lässig in den Wagen zu all den anderen Kleinoden. Ich bedanke mich für die kleine Vorlesung und wir verabschieden uns. Hinter mir schließt sie die Tür. Auf der Treppe stehend höre ich sie in den Steinen kramen.
25
Das hat doch irgendwas zu bedeuten, sinniert Kalle und reibt sich kräftig das glatte Kinn so, als massiere er dichte, drahtige Barthaare. Ach, Kalle, alles im Lot. Neben mir kommt der VW-Bus zum Stehen, wobei er eine Staubwolke aufwirbelt. Udo steigt grußlos aus, öffnet die Ladeklappe. Der noch heute Morgen von Kurt in den Transporter gewuchtete alte Koffer mit seinem stinkenden Etwas darin ist weg, doch auf dem Wagenboden ist ein dunkler Fleck.
»Kann ich was helfen?«, frage ich völlig unbedarft.
»Nix zu tun oder was?«, herrscht er mich unfreundlich an.
Ich schleich mich, treffe Jörn, der mich anweist die Bettwäscheregale aufzufüllen. Udo und Jörn wechseln einen Blick, in den man alles Mögliche hineininterpretieren könnte außer inniger Zuneigung.
Hier stimmt etwas nicht. Der Gedanke hat mich den ganzen Tag nicht losgelassen. Es ist etwas nicht in Ordnung. Nicht so, wie es sein könnte unter Kollegen, die über lange Strecken miteinander
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