Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
Erleichterung, dass er mein Angebot ablehnte, und Wut, weil er verhinderte, dass ich Papa auf die einzige Art, die mir im Moment möglich war, half. „Es war nur ein Vorschlag.“ Ich trank meinen Kaffee zu Ende. In meinem Magen war ein Knoten, der Appetit war mir längst vergangen.
Im Grunde war das ganze Theater lächerlich. Erst behauptete er, ich wäre nicht mutig, um mich der Herausforderung zu stellen, und dann kniff er den Schwanz ein. Er hatte keine Alternative, und sein Entschluss ärgerte mich maßlos. Ich stellte den Becher in die Spülmaschine, bevor ich mich weiter in Rage reden konnte. Womöglich kam sonst etwas über meine Lippen, das ich später bereuen würde. „Guten Flug“, sagte ich zu Henning und wandte mich zu Mama. „Wenn du noch einen kurzen Augenblick warten kannst, dann fahre ich dich zur Arbeit. Ich möchte heute Morgen nach Papa sehen.“
Sie nickte kurz, vermied es aber, mich anzusehen. Das war mir recht, denn ich war auch wütend auf sie, dass sie zu Henning und nicht zu mir, ihrer Tochter, hielt. Wenigstens sie hätte verstehen können, dass ich im Moment alles tun würde, um Papa zu helfen. Sogar über meinen eigenen Schatten springen.
Ich zog mich schnell an, putzte mir die Zähne, bürstete meine Haare, band sie zu einem ordentlichen Pferdeschwanz und war fünf Minuten später wieder unten im Flur. Henning wartete an der Haustür.
„Ich habe es mir anders überlegt. Komm mit in den Stall, ich stelle dich Melanie vor. Marianne fährt zur Arbeit, du kannst dann mit mir rüberfahren zu dem Haus meiner Eltern, in der Garage steht der Pick-up.“
Für den Bruchteil einer Sekunde war ich versucht, ihm zu sagen, dass es dafür jetzt zu spät sei, doch ich verkniff es mir. Schließlich wollte ich Papa helfen.
Henning war bereits auf dem Weg zum Stall, also folgte ich ihm. Als er die Klinke ergriff und die Stalltür öffnete, hielt ich den Atem an. Ich brauchte all meinen Mut für den folgenden ersten Schritt.
Mein Körper begann unkontrolliert zu zittern. Schaue einfach auf den Gang, sagte ich zu mir. Werfe keinen Blick auf die Boxen. Ich nahm wahr, wie zwei Pferde neugierig ihre Köpfe in den Gang streckten. Stur ließ ich meine Augen auf den Rücken von Henning gerichtet, das gab mir am meisten Ruhe. Zugleich spürte ich, dass ich die Achtung vor mir verlieren würde, wenn ich jetzt kniff.
Der Geruch von Ammoniak biss mir in die Nase. Meine Beine fühlten sich an wie Blei. Henning hatte bereits einen größeren Vorsprung, ich musste meinen Schritt beschleunigen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Rechts tauchte der breite Eingang zur Halle auf und dahinter, wo sich die letzten vier Boxen im Stall befanden, stand ein schwarzes Pferd im Gang, das gerade von einem jungen Mädchen geputzt wurde. Vermutlich Melanie. Henning blieb bei ihr stehen. Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich war froh, dass ich noch nichts gegessen hatte. Henning klopfte dem Pferd kurz den Hals, bevor er sich an das Mädchen wandte.
„Morgen, Melanie, ich habe gestern Herrn Wagner entlassen.“
Die Farbe wich dem Mädchen aus dem Gesicht, die Augen weiteten sich. Henning drehte sich um und zuckte überrascht zusammen, als er mich direkt neben sich stehen sah. Natürlich hatte er gedacht, ich würde mich nicht in den Stall trauen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, um mein Zittern zu verbergen.
„Melanie, das ist“, er deutete auf mich, „Vera Kamphoven, die Tochter von Herrn Kamphoven. Sie wird sich hier um alles kümmern, bis ich eine andere Lösung gefunden habe.“
Ich beobachtete das Gesicht des Mädchens. Sie konnte mit dem Namen Vera Kamphoven nichts anfangen, und das erleichterte mich. Im Grunde genommen hatte ich genauso Angst davor, dass mich jemand mit der erfolgreichen Springreiterin Vera Kamphoven in Verbindung brachte, wie ich vor der Arbeit, die auf mich zukam, Angst hatte. Ich nickte Melanie zu und reichte ihr die Hand. Sie lächelte zaghaft und ergriff sie.
Melanie war mir sofort sympathisch. Lustige blonde Kringellocken umrahmten ihr rundes, weiches Gesicht. Eine kleine Stupsnase mit lauter Sommersprossen gaben ihr ein vorwitziges Aussehen. Sie war etwas kleiner als ich und ähnlich breit in den Schultern. Ihre ganze Statur war runder, der Körper länger, die Beine kürzer.
„Haben Sie denn Ahnung von Pferden und der Stallarbeit?“, fragte sie mich schüchtern.
Meine Kinnlade klappte herunter. Dass mich jemand mal fragen würde, ob ich Ahnung von Pferden und
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