DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend
mit diesem langweiligen Unsinn fertig zu werden. Ich verstehe schon. Wollen wir weitermachen? Ich werde meine Briefe so kurz wie möglich halten.«
Die Sekretärin beugte ihren Kopf über den Diktatblock.
Robert Scrivener war ein Schriftsteller von Ruf und Integrität.
Er hatte die Aufmerksamkeit der literarischen Welt zuerst mit seinen Besprechungen in einer Wochenzeitung und später in einem Sonntagsblatt auf sich gezogen.
Diese Besprechungen zeigten ihn als Mann von hoher Kultur, der sich weder zu wildem Enthusiasmus noch zu vernichtender Verurteilung verleiten ließ; er anerkannte die feineren, ausgefeilteren Schriften seiner Zeitgenossen und die fester gefügten Biographien und Reisebücher von Ländern, die dem Durchschnittsleser weniger bekannt waren.
Während des Krieges – schlechte Augen bewahrten ihn vor aktivem Dienst – fuhr Robert Scrivener mit seinen literarischen Kritiken fort, aber er lieh auch dem Kriegsministerium seine Dienste und erhielt als Dank einen kleinen Orden.
Dann, als der Krieg vorbei war, veröffentlichte er einen Roman, der sofort Erfolg hatte. Es war die Geschichte eines Soldaten, der vom Krieg und dessen Folgen für die Welt entsetzt war, der an der italienischen Front gegen eine ungeheuerliche Übermacht eine Stellung hielt und in der Folge gefangengenommen wurde.
Er versuchte dreimal zu entfliehen; aber jeder Versuch schlug fehl. Schließlich bekam er die Beulenpest und starb, aber erst, nachdem er seinen Mitgefangenen eine Friedensbotschaft mit nach Hause gegeben hatte; sie war ein Muster vorzüglicher Prosa; Scrivener erhielt für sie einen italienischen Orden.
Der Roman war tatsächlich ein erstaunliches und packendes Werk, und doch hatte ein Mensch ihn geschrieben, der in seinem Leben nie gesehen hatte, wie man einen Schuß abfeuert.
Sein Erfolg war keine Eintagsfliege. Der Roman mit dem Titel »Madrigal«, der auf den Kriegsroman folgte, war die Geschichte eines Mannes, der von Frauen verfolgt wurde und keinen Frieden fand, bis er ihren Wünschen nachgab; allmählich war er nicht mehr Herr seiner selbst, und er verkümmert seelisch.
Scrivener war nicht verheiratet, und niemand wußte von irgendwelchen intimeren Banden zum anderen Geschlecht; so war sein zweiter Roman zwar eine Überraschung für seine Kollegen, aber er wurde trotzdem weit umher gefeiert.
Andere Romane folgten, vorzüglich geschrieben, und sie alle warfen Probleme auf, die die Menschen dieses Jahrhunderts so sehr in Bann hielten.
Robert Scrivener hörte auf, bei der Wochenzeitung weiter mitzuarbeiten, fuhr jedoch fort, für das Sonntagsblatt zu schreiben, aber nun als Romancier und Literat – wenn nicht als der Romancier und der Literat, als der er vor allem von der Intelligenz angesehen wurde.
Er erlaubte sich nicht, sich von seinem Erfolg verderben zu lassen, und er achtete darauf, seinen Freunden zu sagen, daß er sich nie von Angeboten aus Hollywood würde verleiten lassen, sein Werk auf der Leinwand zu prostituieren.
In Wirklichkeit kam kein solches Angebot; aber das war nebensächlich. Wenn es gekommen wäre, hätte Robert Scrivener es abgelehnt.
Er hielt auch Vorträge und erschien von Zeit zu Zeit auf dem Bildschirm als Fachmann bei Gesprächen am runden Tisch. Er hatte ein gutes Auftreten und eine angenehme Rednerstimme, und für jene Fernseher, die nichts von seinem Werk als Romancier und Kritiker wußten, war er die Verkörperung des Gesetzes; er wirkte wie ein vornehmer Anwalt oder gar wie ein jugendlicher Richter.
Scrivener wußte das und war nicht unzufrieden. Er war sogar entschlossen, einige gesetzliche Aspekte, die den Schriftsteller betrafen, während seiner bevorstehenden Vorträge in Genf zu berühren; aber vor allem wollte er sich mit der Integrität des Schriftstellers befassen und mit seiner Ansicht, daß kein Schriftsteller, der sich einmal der Perfektion des geschriebenen Wortes verschrieben habe und seinen Beruf in Ehren halte, von dem hohen Standard abirren sollte, den er sich einmal gewählt habe.
Robert Scrivener fuhr fort, die Briefe zu diktieren; seine Sekretärin stenographierte schnell, und obwohl er darauf achtete, das Diktat nicht hinauszuziehen, lag eine gewisse Bedächtigkeit in seiner Stimme, eine Förmlichkeit des Vortrages, die das Mädchen warnen sollte, daß ihre Verabredung für den Abend als unnötig und als Treubruch angesehen werde.
Schließlich nahm er seine Brille ab und seufzte. »Das ist alles, Judith«, sagte er, »ich darf Sie keinen
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