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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Frau hätte die Bridge-Kränzchen aufgegeben, für die sie berühmt ist und die, nebenbei bemerkt, nicht unbeträchtlich zu ihrem kleinen Privateinkommen beigetragen haben.
    Noch etwas. Ich bin Vater. Ich würde mich in dieser Hinsicht als Versager betrachten, wenn meine Töchter mit der schönen Gewohnheit aufhörten, ihre Netze nach jungen Männern auszuwerfen, die nur ungern hineingehen. Klatsch, Sticheleien und üble Nachrede mögen also weiterhin die Grundlage unseres exklusiven Jachtclubs bleiben, dessen Mitglieder wie eh und je theoretisch alles durchhecheln, was sie in der Praxis nicht schaffen. Und was Sie angeht« – Ferguson wandte sich erschreckend plötzlich an den Ehrwürdigen Mr. Travers –, »würdiger Vertreter unserer anglikanischen Kirche im Ruhestand: Mögen Sie bis zu Ihrem seligen Ende Ihrer geistlichen Berufung, insbesondere der zum Geist des Weines, so unerschütterlich und unerbittlich folgen wie bisher.«
    Mit den letzten Worten hatte Ferguson die offene Tür erreicht. Draußen griff er sich seine alte Tweedjacke und die Mütze vom Garderobenständer und nahm sich ein paar Sekunden Zeit, um seine Pfeife anzuzünden. Dann trat er noch einmal ins Zimmer, lächelte den erstarrt Zurückgebliebenen verbindlich zu und sagte mit einer tiefen Verbeugung:
    »Lebt denn wohl, alle miteinander.«
    Die Tür fiel ins Schloß, und er verschwand in der Dunkelheit.

    Sieben Uhr früh. Ein grauer Morgen. Der Wind blies kräftig aus Südwest und kündigte weiteren Regen an. Sturmgefahr bestand jedoch nicht; das Seezeichen an der Landspitze war noch nicht aufgezogen.
    Die Baumkronen schwankten und bebten. Im Hafen spritzte das kabbelige Wasser über die Molen. Alle kleinen Boote, die da vor Anker lagen, tanzten auf und nieder. Graue Wolken jagten niedrig am windgefegten Himmel dahin, und im Südosten glomm die Sonne feucht durch ihre zerzausten Vorhänge.
    Ein kleines Schiff mit geflickten, mißfarbenen Segeln kämpfte sich tapfer durch die Hafenmündung aufs offene Meer hinaus. Sein Bug wurde in unregelmäßigen Abständen von schäumenden Brechern umspült, aber es schoß unbeirrt vorwärts wie ein Sturmvogel. An den Mast geklammert stand eine kerzengerade Gestalt in einer Ölhaut, die ein paar Nummern zu weit war, mit Südwester und einem Lächeln, das von Ohr zu Ohr ging. Am Ruder saß ein stämmiger Mann in sehr alten Tweed-Klamotten, der sich lachend die Gischt aus dem grauen Haar schüttelte.
    »Willst du Maltby nicht Lebewohl sagen, Sam?« rief der eine.
    Der andere spuckte nur in den Wind. Das war seine einzige, unmißverständliche Antwort.
    Der Mast knarrte. Der Wind heulte und pfiff in den Wanten. Das Boot stieg und fiel mit langen, wollüstigen Ächzern durch die Wellen.
    Maltby verschwand hinter ihnen im Morgendunst.
    Der Mann am Ruder drehte sich nicht mehr um. Vor ihm erstreckte sich die offene See – drohend, geheimnisvoll, verlockend. Ihm war, als hörte er den alten Ruf, der ihn als Ziel leiten sollte.
    Adieu Sagesse.

Das Rendezvous

    Robert Scrivener bemerkte zu seinem leisen Ärger, daß seine Sekretärin verstohlen auf die Uhr blickte. Im Hinblick auf seine frühe Abreise nach Genf am nächsten Morgen hatte er für den Abend keine Verabredung getroffen, und sie wußte das; es war darum wohl nicht seinetwegen, daß sie sich so um die Zeit kümmerte.
    Zweifellos hatte sie, was man vulgär ein »Rennen« nannte. Eine Sekretärin hatte keine Ursache, »Rennen« zu haben, wenn ihr Arbeitgeber, ein Schriftsteller von Robert Scriveners Format, eine Menge Korrespondenz zu erledigen hatte, bevor er das Land verließ.
    »Judith«, sagte er endlich und hob seine Hornbrille, »Sie schauen ständig auf die Uhr. Sind Sie aus irgendeinem Grund in Eile?« Sie hatte die Freundlichkeit zu erröten. »Es macht nichts«, sagte sie schnell, »ich gehe nur ins Theater.«
    Typisch für die Mentalität des Mädchens. Einen Theaterbesuch zu verabreden an dem einen Tag in der Woche, da sie voraussichtlich länger arbeiten mußte! Er starrte sie an, verblüfft über ihre Dummheit.
    »Was für eine merkwürdige Idee«, sagte er, »ausgerechnet heute ins Theater zu gehen. Soll das heißen, daß Sie jetzt sofort weg müssen und diese Briefe liegenlassen wollen, bis ich von Genf zurück bin?«
    Sie war über und über rot geworden. Es stand ihr schlecht.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte sie. »Es eilt wirklich nicht. Es war nur…«
    »Nur jugendliche Ungeduld, Ihre Fesseln abzuschütteln«, konstatierte er, »und

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