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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Mrs. Ferguson, da sie selbst sich gerade zu einem kurzen Haarschnitt mit Dauerwelle entschlossen hatte, »nun übertreiben Sie bitte nicht. Wir modernen Menschen lieben Luft und Sonne. Allerdings sehe auch ich ungern, daß solche Mädchen die besseren Kreise nachäffen. Nächstens versuchen sie noch in unsere Golf- und Tennisclubs einzudringen, wenn wir sie nicht in Schranken halten!«
    »Wäre es denn so schlimm, wenn sie mitmachten?« fragte ihr Gatte freundlich.
    »Schlimm? Mein lieber Richard, wie kannst du nur so fragen! Ich für meinen Teil würde in Zukunft auf alle gesellschaftlichen Veranstaltungen verzichten, wenn ich mich mit solchem Volk gemein machen müßte.«
    »Auch ich schätze diese modischen Strömungen nicht«, warf der Geistliche ein und dachte: Wo bleibt der Portwein? »Aber diese kleine Collins«, fuhr er listig fort, »Sams Jüngste, die ist wohl anders. Eher nach unserem altmodischen Geschmack. Meinen Sie nicht auch?«
    Reverend Travers warf seinem Gastgeber einen fragenden Blick zu.
    »O ja«, erwiderte Ferguson seelenruhig. »Ich kenne sie gut. Sie ist ein nettes, blitzgescheites Mädchen. Daher konnte ich ihr eine gute Stellung verschaffen. Wenn sie sich da bewährt, will ich noch mehr Geld in sie investieren.«
    Der Kirchenmann lief vor Verlegenheit rot an; seine Augen hinter der Brille schossen empörte Blitze. Wirklich – allmählich ging dieser alte Ferguson zu weit!
    »Das ist nur einer von Richards abgedroschenen Witzen«, vermittelte Mrs. Ferguson eilig und eisig. »Bitte, wollen Sie nicht eine von diesen Trauben versuchen? Es sind die ersten von unseren eigenen Reben am Südhang.«
    »Nein, danke, verehrte Freundin.«
    Die drei Töchter starrten versteinert in die Luft. Wie peinlich das alles! Was mochte nur in ihren Papa gefahren sein?
    »Wie ich soeben sagte«, nahm der geistliche Herr seine Rede mit einiger Selbstüberwindung wieder auf, »die heutige Zeit ist nicht mehr so schön wie einst. Finden Sie nicht auch, Ferguson?«
    »Nein, Travers, durchaus nicht. Ich finde meine Zeit großartig.«
    Die Familie starrte ihn entsetzensbleich an. Er wagte es, Reverend Travers einfach so mit seinem Nachnamen anzureden! Und er wagte es, eine eigene Meinung zu äußern!
    »Dürfen wir fragen wieso, Richard?« fragte seine Frau nach einer angemessenen Pause.
    Ferguson ließ sich Zeit mit der Antwort. Dann wandte er sich mit kindlichem Lächeln an den Geistlichen.
    »Ich finde die allgemeine Lockerung unserer moralischen Korsettstangen recht erfreulich.«
    Sekundenlang herrschte Schweigen. Besonders dem ehrwürdigen Mr. Travers verschlug es die Rede. Er konnte nur noch mit den Lidern klappern. Mrs. Ferguson erhob sich majestätisch vom Tisch, und alle drei Töchter folgten ihrem Beispiel.
    »Momentchen!« rief Ferguson fröhlich. »Bitte bleibt noch etwas sitzen. Ich möchte nämlich eine kurze Rede halten. Ihr benehmt euch, als hätte ich den Verstand verloren… Mag sein. Aber wenn's so ist, bin ich stolz darauf, und deshalb begehe ich den schönsten Narrenstreich, der je einem Narren seit Eulenspiegel und seinesgleichen in den Sinn gekommen ist… Ich wage das Abenteuer, auf das ich mein Leben lang gewartet habe. Spät, aber nicht zu spät. Ich weiß nicht, was daraus wird, und es ist mir auch ganz egal. Für mich liegt im Unvorhersehbaren ein Reiz, der allen gottgefälligen Frieden weit überstrahlt. Eines weiß ich gewiß: Auch wenn ich abkratze, wird es Maltby nicht aus den Angeln heben. Ihr vergeht nicht. Ihr lebt weiter, Jahr um Jahr, und badet in eurer ungeheuren Selbstgefälligkeit. Die Gemeinde wird weiterhin sonntags in der Kirche dösen und alltags die kleinste Pflicht gegen den Nächsten hitzig in Frage stellen. Ihr, meine lieben Töchter, werdet heiraten, sofern eure Mutter kräftig nachhilft, und eurerseits Kinder in die Welt setzen zum immerwährenden Ruhm der teuren Heimatstadt Maltby.
    Gestattet, daß ich etwas Luft hole, aber ich bin noch nicht am Ende. Ich wünsche euch von ganzem Herzen, daß auch eure Kinder und Enkel sich sommers und winters auf alter Väter Weise in Maltby vergnügen – auf dem Golfgelände oder dem Tennisplatz oder was sonst gerade en vogue ist. Ich bin kein Hellseher, aber ich hoffe für euch, daß es weiterhin glänzende Partys und Bälle gibt. Ich vertraue darauf, daß der Bürgerrat auch ohne mich den Fremdenverkehr belebt und damit einen allgemeinen Wunsch durchsetzt. Ich wäre höchst betroffen, wenn mir die Nachricht zukäme, meine liebe

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