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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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die andern Männer das Mädchen, mit dem man ausgeht, beachten. Und dieses hier konnte man nicht übersehen. Nein, mein Mädchen nicht!
    Dann drehte sie ihm den Rücken zu, mit voller Absicht, stützte die Ellbogen auf die Theke, schlürfte ihren heißen Kaffee, und ich stand daneben und machte es genauso. Wir taten nicht hochnäsig oder dergleichen, waren durchaus nett und höflich und wünschten der ganzen Runde guten Abend, aber jeder begriff sofort, daß wir, mein Mädchen und ich, zusammengehörten, daß wir uns selbst genug waren. Und das gefiel mir. Komisch, irgendwo tief drinnen gab es mir ein Gefühl, als sei ich ihr Beschützer. In den Augen der andern konnten wir ganz gut ein Ehepaar auf dem Heimweg sein.
    Die andern drei und der Mann im Kiosk scherzten miteinander, aber wir machten nicht mit.
    »Sieh dich bloß vor in dieser Uniform«, sagte der Schaffner zu dem Burschen in der Fliegeruniform, »sonst nimmt es mit dir genauso ein Ende wie mit den andern. Es ist auch schon spät, und du bist ganz allein.«
    Alle lachten. Ich wußte nicht recht, was das zu bedeuten hatte, mußte wohl irgendein Witz gewesen sein.
    »Ich bin auch nicht von gestern«, entgegnete der Flieger, »wenn ich Gesindel seh, weiß ich gleich, was die Uhr geschlagen hat.«
    »Kann mir vorstellen, daß die andern dasselbe gesagt haben«, bemerkte der Fahrer, »und wir wissen ja, wie es ihnen erging. Beim bloßen Gedanken daran kriegt man eine Gänsehaut. Aber warum ausgerechnet die von der Royal Air Force, das möcht ich bloß wissen.«
    »Das liegt an der Farbe unsrer Uniform«, sagte der Flieger, »man kann sie im Dunkeln genau erkennen.«
    In dieser Art scherzten sie weiter. Ich zündete mir eine Zigarette an, mein Mädchen wollte keine.
    »Der Krieg ist schuld daran, daß sich die Weiber so verändert haben«, sagte nun der Budenbesitzer, wischte eine Tasse aus und hängte sie hinter sich an einen Haken. »Hat meiner Meinung nach den meisten den Kopf verdreht. Sie wissen einfach nicht mehr, was sich gehört.«
    »Am Krieg liegt es nicht, sondern am Sport«, sagte der Schaffner. »Der entwickelt ihre Muskeln und alles mögliche, was gar nicht entwickelt werden sollte. Nehmt nur mal meine beiden Bälger. Das Mädchen kann den Bengel jederzeit niederboxen. So was gibt einem zu denken.«
    »Ja, gewiß«, stimmte der Fahrer zu, »Gleichberechtigung wird es ja wohl genannt, nicht? Das Wahlrecht, das ist schuld daran. Wir hätten ihnen eben niemals das Wahlrecht geben dürfen.«
    »Quatsch«, sagte der Flieger, »das Wahlrecht hat die Frauen nicht verrückt gemacht. Sie sind im Grunde schon immer so gewesen. Die Männer im Orient wissen, wie man sie behandeln muß. Da unten, da hält man sie hinter Schloß und Riegel. Das ist die richtige Methode. Dann hat man keinen Ärger mit ihnen.«
    »Ich möchte wissen, was meine Alte sagen würde, wenn ich versuchte, sie einzusperren«, meinte der Fahrer. Alle lachten laut.
    Jetzt zupfte mich mein Mädchen am Ärmel, ich sah, daß sie ihren Kaffee ausgetrunken hatte. Sie deutete mit dem Kopf zur Straße hinüber.
    »Möchtest du nach Haus?« fragte ich.
    Albern. Irgendwie versuchte ich den Eindruck zu erwecken, als gingen wir beide heim. Sie antwortete nicht. Zog einfach los, die Hände in den Manteltaschen. Ich sagte guten Abend und ging hinterher, aber vorher bemerkte ich doch noch, daß der Flieger ihr über seine Teetasse hinweg nachstarrte.
    Sie wanderte die Straße entlang. Es regnete noch immer, trist und einförmig, so daß man sich danach sehnte, irgendwo gemütlich am Kaminfeuer zu sitzen. Nachdem sie die Straße überquert hatte, blieb sie am Friedhofsgitter stehen, blickte zu mir auf und lächelte mich an.
    »Was nun?« fragte ich.
    »Grabplatten sind flach«, sagte sie, »manche wenigstens.«
    »Na und, was dann?« fragte ich ganz verdutzt.
    »Man kann sich drauflegen«, antwortete sie.
    Sie kehrte um und schlenderte suchend am Gitter entlang, und dann kam sie an eine Stelle, wo die eine Stange zerbrochen und die andere verbogen war, blickte auf und lächelte mir wieder zu. »Es ist immer dasselbe«, sagte sie. »Wenn man lange genug sucht, findet man todsicher ein Schlupfloch.«
    Und schon war sie, flink wie ein Messer durch die Butter, hindurchgeglitten. Ich war ganz platt.
    »Langsam«, rief ich, »ich bin nicht so schmal wie du.«
    Aber sie war schon auf und davon und wanderte bereits zwischen den Gräbern umher. Ich zwängte mich mit Geschnaufe und Gekeuche durch die Lücke. Dann

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