Dumm gelaufen, Darling
sonst einschätzen sollen? Er hatte sie auch um Hunters willen geprüft, schließlich wusste er um die starken Gefühle, die sein bester Freund für diese Frau hegte. Ihre Mutter war dabei, in eine Schlangengrube einzuheiraten, und er fragte sich, wie Molly in diese Familie passte.
Was ihn zu einer anderen Frage führte. Wo in aller Welt war Lacey abgeblieben?
Ty konnte nur erahnen, was Lacey gerade fühlen mochte, wie er sich auch kaum vorstellen konnte, an einem Ort wie diesem aufgewachsen zu sein. Das Haus war ein herrschaftlicher Wohnsitz, das Grundstück scheinbar endlos groß. Er fragte sich, ob Lacey die späteren Jahre ihrer Kindheit von den guten Erinnerungen an dieses Haus trennen konnte.
Nachdem er die Badezimmer im Erdgeschoss kontrolliert hatte, ging er die Treppe nach oben und suchte dort die Räume ab. Es gab dort Schlafzimmer, die seit Jahren nicht mehr bewohnt zu sein schienen. Er schaute in jeden Raum, fand ihn leer vor und machte weiter. Am Ende des Flurs befand sich eine Flügeltür, die in das Hauptschlafzimmer führen musste, und er steuerte darauf zu.
Obwohl sich dort unten viele Gäste amüsierten, wurde das Stimmengemurmel immer leiser, je mehr er sich der Flügeltür näherte. Dann bemerkte er einen benachbarten Raum, aus dem Licht durch die Türritze drang.
Bingo, dachte er. Er öffnete die Tür und trat ein.
Lacey saß in der Mitte des breiten Betts und hielt ein Stofftier im Arm, das sie damals hatte zurücklassen müssen. Nachdem sie die Party unten verlassen hatte, war sie hier oben durch die Räume geschlendert. Es hatte sich nicht viel geändert, abgesehen von dem großen Schlafzimmer. Das hatte ihr Onkel in einen Junggesellenraum mit dunklen Farben und alten Holzmöbeln verwandelt. Sie erinnerte sich an den hellen Holzfußboden ihrer Eltern und die hellblau gestrichenen Möbel und fing an zu weinen.
Die Tatsache, sich in ihrem eigenen Haus zu befinden und zugleich von entfernten Verwandten und völlig Fremden umgeben zu sein, überwältigte sie so sehr, dass sie in unkontrolliertes Schluchzen ausbrach. Es war Jahre her, dass Lacey es sich erlaubt hatte, so tief in ihre Erinnerungen einzutauchen, dass sie weinte. Sie konnte sich keine Schwäche leisten, wo sie doch stark sein musste, um weiterzumachen. Um das Leben zu leben, egal was ihr im Weg stand.
Doch die komplette Veränderung des elterlichen Schlafzimmers traf sie hart. Wenn sie die Augen schloss, überfluteten sie die Erinnerungen an all das, was sie verloren hatte.
„Lacey?“, fragte Ty sanft. „Ich habe dich gesucht.“
Sie öffnete die Augen und begegnete seinem düsteren Blick. „Ich war abgelenkt“, flüsterte sie und streichelte dabei das verfilzte Fell ihres alten Stofftiers.
Er ging auf sie zu und setzte sich neben sie. „Dein altes Kinderzimmer?“, fragte er.
Sie nickte.
„Es hat sich offenbar nichts verändert“, sagte er, als er sich umschaute.
„Ich weiß.Entweder er hatte nicht das Geld oder … Ich weiß nicht, warum.“
„Sind das Marienkäfer an den Wänden?“
„Rote, weiße und königsblaue Marienkäfer“, sagte sie stolz. „Die Tapete habe ich mit meiner Mutter ausgesucht.“ Lacey biss sich auf die Unterlippe. „Sie sagte, dass fröhliche Farben dafür sorgen würden, dass auch ich immer fröhlich bin.“
Er neigte leicht den Kopf. „Es sieht nach einem schönen Ort zum Aufwachsen aus. Hatte sie denn recht?“
„Bis zu dem Tag, an dem sie und mein Vater starben.“ Unvermittelt schwang sie die Beine über die Bettkante und stand auf. „Lass uns verschwinden, okay?“
„Du bist der Boss.“ Er stand auf und folgte ihr.
„Lüg nicht. Du lässt doch niemanden den Ton angeben“, sagte sie.
„Außer dir“, murmelte er.
Zumindest glaubte sie, diese Worte verstanden zu haben, als sie das Licht löschte und die Tür ihres Kinderzimmers zum letzten Mal hinter sich schloss.
Lacey stand neben Ty, der dem Bediensteten das Ticket für seinen Wagen gab. Statt über die Ereignisse des Abends nachzudenken, beschäftigte sie sich mit ihm. Der Angestellte mit seinem grünen Jackett fuhr Tys unauffälligen Wagen vor. Es war weder ein besonders sportlicher Wagen noch ein Jeep, einfach nur ein Auto. Ty gab dem Mann ein Trinkgeld und setzte sich ans Steuer. Auch Lacey stieg ein.
Als er die Auffahrt hinunterfuhr, sinnierte sie über seine Aura der Strenge und Autorität, die jeder spürte. Zum hundertsten Mal bewunderte sie seine markanten Gesichtszüge und den sinnlichen Mund, an
Weitere Kostenlose Bücher