Dumm gelaufen, Darling
herrischer Stimme Anweisungen.
Der Ton bedeutete ganz klar: Ich habe das Sagen und du nicht. Pauls Arroganz und seine Herrschsucht hatten Marc damals, als Lilly noch hier gelebt hatte, mehr als einmal zum Alkohol greifen lassen. Nun verstärkte Marc nur den Griff um sein mit Tonic gefülltes Glas.
„Hallo, hier ist Robert“, sagte sein Bruder. „Vivians Zustand hat sich verschlechtert. Sie braucht nun selbst im Heim rund um die Uhr Betreuung. Ich kann keine weitere Hypothek auf mein Haus aufnehmen. Ich brauche das Geld. Du sagtest, dass wir es hätten, doch das war, bevor Lilly aufgetaucht ist. Jetzt bin ich am Ende. Meine Praxis läuft immer schlechter, und ich kann die Versicherung nicht bezahlen, die die Verluste …“ Ein lautes Piepen unterbrach Robert mitten im Satz.
Ein großer Kloß bildete sich in Marcs Hals. Er wusste, wie sich sein Bruder fühlte. Er kannte Verzweiflung. Die nächste Nachricht erfüllte ihn genau damit.
„Marc, Liebling, hier ist Francis. Ich bin in New York. Ich wollte mich nach Hochzeitskleidern umschauen. Da ist eines, das wirklich wunderschön ist. Du sagtest: Alles, was mein Herz begehrt, egal was es kostet. Ich hoffe, das hat sich nicht geändert.“ Sie machte eine effektvolle Pause, die ihm einen Schauder über den Rücken jagte. „Ich ruf dich später an, Liebling.“
Die Maschine schaltete sich aus und ließ ihn allein in seinem Arbeitszimmer zurück. An diesem Ort und in diesem Zustand würde er ohne das Geld eine Ewigkeit bleiben. Das Traurige daran war, dass Marc das Geld nicht länger für sich brauchte oder wollte. Er hatte sich nicht nur vom Alkohol, sondern zugleich von der Gier und der Eifersucht befreit, die ihn so lange in seinem Leben angetrieben hatten. Wenn doch alle anderen das Gleiche empfinden würden.
Lacey ließ die Untersuchung der Ärzte über sich ergehen und war dankbar, als sie ihr nur ein bisschen Sauerstoff gaben und sie dann gehen ließen. Hunter ging ins Büro, allerdings nicht ohne zu versprechen, dass er sich später melden würde. Die Feuerwehrmänner erlaubten Lacey und Ty, in die Wohnung zurückzugehen, um einige Sachen zu packen, doch wie sie es prophezeit hatten, roch alles nach Rauch. Es gab nichts Rettenswertes, was sie hätten mitnehmen können, und sie war erschüttert, dass sie alles zurücklassen mussten. Lacey musste sich in Erinnerung rufen, dass all ihre Habseligkeiten sicher zu Hause auf sie warteten.
Doch wo war ihr Zuhause? Wo wollte sie zu Hause sein? Hier mit Ty? An dem einzigen Ort, an dem sie Menschen hatte, die sie liebten und die ihr am Herzen lagen? Und wo ihr einziger Verwandter sie tot sehen wollte?
Oder in New York, wo sie sich eine Existenz und ihre heiß geliebte Firma aufgebaut hatte? Doch sie begriff allmählich, dass sie sich von allem und jedem in ihrem Leben abgeschottet hatte.
Erst als sie nach Hawken’s Cove zurückgekehrt war, hatte sie wieder angefangen zu fühlen. Im Guten wie im Schlechten: Da war die Nacht mit Ty und die erneuerten oder auch ganz neuen Freundschaften, aber da waren auch die Angst vor ihrem Onkel und die Trauer um den Verlust ihrer Eltern. Doch zumindest fühlte sie sich lebendig, so sehr sie derzeit auch neben sich zu stehen schien.
Es gelang ihr, sich zusammenzureißen, während sie mit Ty schnell ein bisschen Kleidung und das Notwendigste kaufte. Und sie behielt auch die Fassung, als sie schweigend zum Haus von Tys Mutter fuhren, wo sie bleiben würden, bis seine Wohnung wieder vollständig gesäubert und hergerichtet war.
Als sie vor dem Haus parkten, konnte Lacey kaum noch an sich halten. Noch immer erschüttert von dem Anschlag auf ihr Leben und der Tatsache, dass ihr Onkel sie umbringen wollte, fühlte sie sich den Tränen nahe.
Kaum öffnete Flo Benson die Haustür, um sie zu begrüßen, sprang Lacey deshalb aus dem Wagen, rannte über den Rasen und warf sich der anderen Frau in die Arme.
Eine Stunde später hatten sie geduscht – getrennt selbstverständlich –, und Flo hatte ihnen Berge von Essen gemacht. Wie damals, dachte Lacey.
Sie löffelte ihre letzte Portion Hühnersuppe aus und stand auf, um abzuräumen.
„Nein, nein“, sagte Flo. „Lass mich dich verwöhnen. Es ist viel zu lange her, dass ich Gelegenheit dazu hatte.“ Tys Mutter begann mit dem Aufräumen und bewegte sich dabei ebenso effizient, wie sie es damals getan hatte.
Sie sah auch gut aus, trotz der Herzoperation vor ein paar Jahren, von der ihr Ty eines Nachts bei Milch und Keksen erzählt
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