Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
deutscher Schäferhund wäre kein deutscher Schäferhund, wenn er sich mal eben abschütteln ließe. Im Gegenteil: Erst ein Gegner, der sich nach Kräften zur Wehr setzt, bringt ihn richtig auf Touren. Sieht nicht gut aus für Phil.
Als ich seinen vierbeinigen Kollegen heransprinten sehe, wird mir klar, dass ich etwas unternehmen muss, und zwar dalli. »Kasai«, ich strecke eine Kralle aus, »deine Lampe, schnell!«
Kasai beugt sich zu mir herab, sieht mich an und kratzt sich genügsam hinterm Ohr. Willkommen Gehirnaufweichung! Ich kralle mir die Stirnlampe und ziehe ihm das Gummiband vom Kopf. Meine Idee ist nicht besonders erfolgversprechend, aber es ist die einzige, die ich habe, und wie sagt Rufus so gerne: Wer in auswegloser Lage … Nein: Wer einen Weg aus der Lage … Mist, ich hab’s vergessen. Zurück zu meiner Idee: Ich werfe mich auf den Rücken, lege das Gummiband um die Hinterklauen, ziehe an der Lampe, während ich gleichzeitig durch die Streben leuchte, sehe den zweiten Schäferhund, ziehe noch etwas stärker, ziele, warte, bis der Hund mit aufgerissenem Maul zum Sprung ansetzt, kneife die Augen zusammen und lasse die Lampe los.
Ein teutonisches Röcheln von der anderen Zaunseite lässt mich meine Augen öffnen. Während der eine Schäferhund noch immer lustvoll knurrend an Phils Schuh hängt und Nummer drei noch über den Rasen eilt, leuchtet Nummer zwei gespenstisch aus dem Maul und versucht verzweifelt, die Lampe aus dem Rachen zu würgen. Ich hab tatsächlich getroffen. Wie geil ist das denn? Noch während ich diesen Gedanken habe, fällt Schäferhund Nummer eins auf der anderen Zaunseite zu Boden. Phils Schuh hat er noch im Maul, Phil allerdings steckt nicht mehr drin. Der stürzt neben mir ins Gras und stößt einen weiteren Fluch aus, den ich an dieser Stelle mal mit »Das ist aber wirklich ärgerlich« übersetze.
»Ich will einen neuen Job«, fügt er noch hinzu, »sagte ich das bereits?«
Unsanft nimmt er Kasai und Sankuru an die Hand und humpelt ungleichen Schrittes zum Wagen.
Der dritte Schäferhund ist eingetroffen. Zu spät. Ich sollte schleunigst abhauen, denn auch das Motorengeräusch rückt näher – ich glaube, einen fahrbaren Rasenmäher zu erkennen. Doch für einen Moment muss ich meinen Triumph noch auskosten und mache es wie bei Justus und Ursula, den Nashörnern im Zoo: Ich lehne mich gegen einen Pfeiler und kreuze das Spiel- über das Standbein. »Ganz unter uns, Freunde«, ich tue so, als würde ich mir einen Essensrest zwischen den Zähnen herauskratzen, »irgendwie hätte ich von ordentlichen, deutschen Schäferhunden ein bisschen mehr … Opferbereitschaft erwartet.«
Nummer eins antwortet nicht. Er ist so sauer, dass er in wilder Raserei Phils Schuh hin und her schleudert, ihn mit den Pfoten auf den Boden drückt und in Stücke zu reißen versucht. Das kann dauern. Der Schuh ist einer von den vielen hübschen Accessoires, mit denen Piroschka meinen Partner ausstaffiert hat. Bestes Leder, rahmengenäht. Da hat selbst ein deutscher Schäferhund ein Weilchen dran zu kauen. Nummer zwei ist ebenfalls beschäftigt. Leuchtet nach wie vor geisterhaft aus dem Maul, würgt, würgt, würgt – da tropft bereits alles Mögliche von seinen Lefzen – und angelt verzweifelt mit den Pfoten nach dem Gummiband. Nummer drei hat Sternchen vor den Augen und hechelt asthmatisch. Aber er hat mich gehört.
»Ich …«, setzt er an und rammt seine Schnauze, so weit es geht, durch die Zaunstreben. Sein Speichel tropft mir praktisch auf die Klauen.
»Ja?«, frage ich.
»Ich …« Hechel, hechel, hechel …
»Bin ganz Ohr.«
»Ich …«
»… habe Mundgeruch?«, schlage ich vor. Den hat er nämlich, und zwar nicht zu knapp.
Er entblößt seine Zähne, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben. »Das sieht böse nach Parodontose aus, wenn du mich fragst.«
»Ray, wo bleibst du denn?«, ruft Phil, der Kasai und Sankuru bereits auf der Rückbank verstaut hat.
»Komme!«, rufe ich zurück.
Endlich ist Fiffi so weit beieinander, dass er einen vollständigen Satz herausbekommt. »Man sieht sich immer zweimal im Leben«, knurrt er.
»Wird sicher lustig«, erwidere ich und tippe mit einer abgespreizten Kralle gegen seinen Reißzahn, »aber vorher geht’s zum Zahnarzt.«
Die Tupperdose unter das Vorderbein geklemmt, schlendere ich lässig zum Auto. Hinter mir wird geröchelt, geknurrt und gewürgt, was das Zeug hält. Über dem Waldsaum geht die Sonne auf. Es liegt
Weitere Kostenlose Bücher