Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
verbracht hat. Die Morgendämmerung ist noch fern, doch die Silhouetten der Hochhäuser beginnen bereits, sich gegen den Himmel abzuzeichnen. Könnte ein beschaulicher Moment sein, wäre da nicht die vor uns liegende Aufgabe.
»Nicht schon wieder!«, stöhnt mein Partner. Vor Schreck weiten sich seine Augen. Ganz ehrlich: Mit Sonnenbrille sähe das besser aus.
Ich sitze im Rahmen des Fahrerfensters und lasse die Beine baumeln. »Was ist?«
»Ich sehe schon wieder Tiere!«
Vorsichtshalber frage ich nach: »Welche Tiere?«
»Schimpansen oder so. Zwei Stück, da vorne auf der Parkbank. Die knutschen.«
Ein Glück, alles in Ordnung. »Das sind Kasai und Sankuru«, beruhige ich Phil. »Die befummeln sich die ganze Zeit. Bonobos eben.«
Mein Partner sieht nicht wirklich erleichtert aus. »Und weshalb sitzen die da auf der Bank?«
»Weil ich sie dort abgesetzt habe.«
Phil blinzelt in die Gegend: sein Auto, alles klar. Der Parkplatz kommt ihm ebenfalls bekannt vor. Eine erleuchtete S-Bahn rattert über ihn hinweg. Ach ja: Bahnhof Zoo. Und das Erdmännchen bin ich, Ray, sein Partner. Nur wie er hierhergekommen ist, ist ihm ein Rätsel.
»Bist
du
etwa gefahren?«
»Echt witzig …«
»Also ich?«
Ich nicke.
»Größere Schäden?«
»Die Laterne geht nicht mehr. Wie es in deinem Kopf aussieht, musst du wissen.«
Er überlegt, nimmt eine kurze Inventur seiner Gehirnwindungen vor. Die Festplatte scheint noch funktionstüchtig. Schließlich nickt er Richtung Parkbank: »Und was ist mit den beiden Fummeltrienchen?«
»Mit denen machen wir jetzt einen Ausflug. Den Rest erkläre ich dir unterwegs.« Ich springe auf den Bordstein. »Du hast da übrigens was am Ohr.«
Bis wir bei der Galopprennbahn ankommen, haben Kasai und Sankuru es fertiggebracht, dreimal auf der Rückbank Sex zu haben. Dabei ist der Tag noch nicht einmal angebrochen. Rufus hat mir erklärt, der viele Sex sorge bei den Bonobos für Aggressionsabbau – für ein friedliches Miteinander. Ich weiß nicht, wie Bonobos sonst so drauf sind, aber was Kasai und Sankuru angeht: Deren Miteinander ist so friedlich, dass man annehmen könnte, sie beginnen ihren Tag mit einer gemeinsamen Opiumpfeife. Reden tun sie übrigens nicht. Also Bonobos im Allgemeinen schon, nur Kasai und Sankuru nicht. Rufus meint, sie seien traumatisiert: Die beiden sollen bei einer Umweltschutz-Guerilla-Aktion von Artenschutzaktivisten aus der Gefangenschaft von Wilderern befreit und anschließend so lange mit Gesprächs- und Therapieangeboten gefoltert worden sein, dass sie irgendwann das Sprechen eingestellt haben. Die Basics allerdings funktionieren noch: Sex, Essen, Lausen …
»Du musst sie an die Hand nehmen«, erkläre ich, nachdem Phil den Wagen in einem verschwiegenen Eckchen geparkt und Lichter und Motor ausgeschaltet hat, »sonst laufen die einfach irgendwohin.«
Widerwillig nimmt Phil einen Bonobo an jede Hand und führt sie hinüber zum Zaun, der das Renngelände säumt.
»Rüber!«, rufe ich. Bonobos brauchen klare Anweisungen.
Anders als ihre menschlichen Artgenossen sind Bonobos exzellente Kletterer. Kasai und Sankuru überwinden den Zaun mit derselben Leichtigkeit, mit der sich ein Rüttelfalke in die Luft aufschwingt. Ich tauche unten drunter durch.
»Na großartig.« Schwerfällig schwingt Phil sich auf, zappelt hilflos mit einem Bein in der Luft, während er mit dem Fuß einen Halt zu finden hofft, klemmt sich die Finger, stöhnt, schnauft und fällt auf der anderen Seite wieder zur Erde. »Ich brauche einen neuen Job«, stellt er fest und inspiziert einen Riss in seinem Leinensakko.
Kasai und Sankuru sind derweil davongestromert und laufen als Schatten über den Rasen Richtung Wald. »Die darf man nicht sich selbst überlassen«, sage ich.
Notgedrungen eilt Phil ihnen nach, holt sie schließlich ein, trennt sie und nimmt wieder jeden an eine Hand. Bis er sie zur Bahn geführt hat, hängt Kasai ganz verliebt an seinem Bein, während Sankuru ihm mit der freien Hand unablässig den Hintern tätschelt.
»Was soll denn das geben?«, grummelt Phil.
»Sex – wenn es nach denen geht«, sage ich. »Hilft beim Abbau von Aggressionen.«
»Das sehen meine Aggressionen anders. Sag ihnen, da läuft nichts. Ich habe ein Erdmännchen als Partner und eine Stute als Auftraggeberin, aber ich werde mich nicht auf einen Dreier mit zwei Bonobos einlassen.«
Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken: »Sankuru steht auf deinen Hintern.«
»Sag Sankuru, er kann mich
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