Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
Mal das Wort »Trennkost« gehört hat und seitdem ganz verliebt darin ist, ignoriert ihren Mann nach Kräften, hält es aber irgendwann nicht mehr aus. »Glaub ja nicht, dass ich da irgendwas von esse!«, ruft sie quer durchs Gehege.
Rocky überlegt, warum, findet keine Antwort und zuckt mit den Schultern. »Und wieso nicht?«
»Da kann alles Mögliche drin sein – Samenzellen und wer weiß was noch.« Meint sie vielleicht Salmonellen? »Meine Kinder jedenfalls essen das nicht! Die brauchen Omega 3 -Fettsäuren.«
Rocky, der sich fragt, was für eine Konsole man wohl braucht, um »Omega 3 « zu spielen, weiß, dass er in Roxys Satz keinen Sinn hineinkriegt, egal, wie sehr er sich abmüht. So schlau ist er immerhin. Was er ebenfalls weiß, ist, dass er nicht nachfragen sollte – auf keinen Fall! –, weil er nämlich sonst eine halbstündige Diskussion mit seiner Frau an der Backe hat. Und das Einzige, was für Rocky auf dieser großen weiten Welt noch schwerer zu ertragen ist als halbstündige Diskussionen mit seiner Frau, sind ganzstündige Diskussionen mit seiner Frau.
Beherzt greift er unter sich, reißt ein Stück von irgendetwas ab und stopft es sich ins Maul. »Schmeckt okay für mich.«
»Ich glaub’ das nicht«, nuschelt Roxy gerade so laut, dass jeder im Gehege es hören muss. Dann schließt sie die Augen und dreht wieder ihr Gesicht in die Sonne. »Das glaub’ ich einfach nicht.«
Rocky verdreht die Augen. War schon klar, dass das mit Roxy nicht einfach werden würde. Mit Weibchen war das ja nie so wirklich einfach. Aber letztes Jahr, bevor sie schwanger wurde … Also, da war sie wenigstens noch scharf auf ihn gewesen. Ständig hatten sie Sex gehabt! Und Roxy war für Schweinereien zu haben, die hätte Rocky sich nicht einmal ausdenken können! Dann war sie plötzlich schwanger und wurde hysterisch. Was auch irgendwie okay war. Weibchen
und
schwanger. Da kam man als Männchen ja sowieso nicht hinterher. Nur hatte Rocky gedacht, dass sich Roxanes Hysterie legen würde, sobald die Jungen erst einmal auf der Welt waren. Ist aber nicht passiert – also noch nicht, auf jeden Fall. Die Jungen sind da, aber statt dass Roxy wieder scharf auf ihn ist, erzählt sie ihm jetzt ständig von so Dingen wie Omega 3 und biodynamisch und so weiter. Und damit ist für einen wie Rocky schwer klarzukommen.
Mürrisch erhebt sich unser Clanchef – am Hintern klebt ihm ein Fettstreifen –, rollt die ausgesuchten Reste zusammen, klemmt sich den Fleischball unter die Achsel, marschiert am Pool vorbei und verschwindet hinter dem großen Hügel. Von dort ist bereits seit einiger Zeit das wiederkehrende Geräusch berstenden Gesteins zu hören. Colin, die Felsschreddermaschine, hat ihre Arbeit aufgenommen. Vater und Sohn, zu zweit, im Steinbruch. Und ein Batzen Fleisch. Könnte mir vorstellen, dass Rocky dort demnächst häufiger anzutreffen sein wird.
»Ray?«
Entsetzt fahre ich zusammen. Mein Bruder Rufus steht hinter mir im Höhleneingang, sieht aus wie sein eigenes Hologramm und klingt, als spreche er aus dem Jenseits.
»Nichts gegen simuliertes Tageslicht«, sage ich, »aber ein bisschen echtes Tageslicht ab und zu könnte dir nicht schaden.«
Er blinzelt aus roten Augen: »Kann ich dich etwas fragen?«
Ich zucke mit den Achseln. »Logisch.«
»Ist etwas Persönliches.«
»Von mir aus.«
»Ich würde dich eindringlich bitten, es nicht an Dritte weiterzugeben.«
»Willst du mir nur auf die Eier gehen, oder willst du es mir auch erzählen?«
Er tritt einen Schritt in die Höhle zurück, in den Schatten. Ich folge ihm. Schließlich flüstert er: »Hast du noch irgendwo Magenta?«
»Wie bitte?!«
Er bedeutet mir, bitte, bitte leise zu sprechen.
»Das Zeug ist lebensgefährlich!«, zische ich.
»Nicht, wenn man es richtig dosiert.«
Da frag ich mich doch, woher mein Bruder das wohl weiß. »Erstens: Natürlich habe ich kein Magenta mehr, wie du weißt. Und zweitens: Wozu um alles in der Welt brauchst du es denn?«
Magenta, um das kurz zu klären, ist eine Designerdroge, entwickelt und produziert von Professor Doktor Arnulf Schmidtbauer. Harter Stoff, böses Zeug, Finger weg! Eigentlich zur körperlichen Leistungssteigerung entwickelt, bewirkt es zudem, dass man eine ganze Nacht lang Sex haben kann und will, den zumindest der oder die andere niemals vergessen wird. Mit etwas Glück behält man sogar selbst eine Erinnerung daran. Sofern man überlebt. Ich weiß, wovon ich rede.
Offiziell gibt es
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