Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
Stahlgeländer von seinem Gehege brettert, dann hört man ein dumpfes Poltern, gepaart mit einem Knirschen, das an splitternde Knochen erinnert.
Ganz ähnlich klingt es jetzt, als Giuseppe Phil den Pistolenknauf mit voller Wucht über den Schädel zieht. Phil hat nicht einmal mehr Zeit, vor Schmerz aufzustöhnen. Mit lautem Krachen fällt er auf den Dielenboden und bleibt dort reglos liegen.
»Und jetzt bist du dran!«, herrscht Giuseppe den alten Uckermark an. »Dreh dich um und denk an was Schönes.«
Wieder das dumpfe Poltern, der alte Uckermark geht zu Boden. Erneut beginnt Ann-Sophie zu schluchzen.
»Halt’s Maul!«, brüllt Giuseppe, und als ihr Schluchzen in ein Wimmern übergeht, gibt er ihr eine schallende Ohrfeige, die sie sofort verstummen lässt.
»Treib mich nicht zur Weißglut, hörst du?«
Während Giuseppe Phil und den alten Uckermark eilig fesselt, spüre ich, dass eine warme, klebrige Flüssigkeit meine Füße berührt. Es ist Blut.
Geschockt versuche ich, die Blutquelle auszumachen, und lande so beim Kopf meines Partners. Es ist Phils Blut. Und es ist viel Blut. Sehr viel Blut.
Ich gerate in Panik. Ich weiß zwar nicht, wie viel Blut im Körper eines ausgewachsenen Menschen vorhanden sein sollte, aber was da aus Phil rausläuft, ist mehr, als durch die Venen meines gesamten Clans fließt. Glaub ich zumindest.
Zum Glück braucht Giuseppe nicht lange, um sich das Geld zu schnappen und Ann-Sophie zur Tür zu schleifen. Dann sind die beiden auch schon verschwunden.
Ich laufe zu Phil und zucke im gleichen Moment zusammen, weil draußen mehrere Schüsse fallen. Dann wird ein Motor gestartet, und ich höre das Geräusch eines sich entfernenden Wagens. Giuseppe wird mit seinen krummen Touren davonkommen, schätze ich. Viel wichtiger ist aber im Moment, dass mein Partner mit dem Leben davonkommt.
»Phil! Hörst du mich?«
Er reagiert nicht. Vergeblich versuche ich, seinen Kopf zur Seite zu drehen. Phils Arme sind im Weg. Ich zerre an seiner Fessel. Es gelingt mir, sie mit meinen messerscharfen Krallen zu öffnen.
Trotzdem kann ich Phils Arme nur minimal zur Seite schieben. Sie haben sich irgendwie zwischen einem Stuhl und einem Tischbein verhakt.
»Rufus! Rufus, bist du da? Bitte kommen!«
Ich befürchte, wenn ich es nicht schaffe, Phils Kopf anzuheben, dann wird er in seinem eigenen Blut ertrinken.
Während ich das Badezimmer suche, um ein paar Handtücher zu holen, mit denen ich die Blutung stoppen will, meldet sich endlich mein Bruder. »Alter Schwede! Was ist los mit dir, Ray? Deine Vitalfunktionen sehen aus, als würdest du Samba tanzen.«
»Phil ist bewusstlos. Und er blutet stark. Ich hab Angst, dass …«
»Alles klar. Schon verstanden«, unterbricht Rufus. »Setz ihm sein Headset auf!«
»Rufus, er ist bewusstlos!«, rufe ich überfordert. »Er kann nicht mit dir reden!«
»Setz ihm sein Headset auf!«, wiederholt Rufus. »Ich will nicht mit ihm reden. Ich checke nur seine Vitalfunktionen. Dann wissen wir, wie es um ihn steht.«
»Sag das doch gleich!« In Windeseile finde ich inmitten des ausgekippten Inhalts von Phils Tasche das gesuchte Headset. Nur einen Atemzug später hat mein Partner es auf dem Kopf. »Und? Wie geht es ihm?«
Schweigen.
»Rufus! Wie geht es ihm?«
»Nun warte doch mal, Ray! Ich hab es gleich«, antwortet Rufus. »Das Ding muss wenigstens ein paar Sekunden lang messen, wenn es einigermaßen verlässliche …« Rufus unterbricht sich. »Ach du große Scheiße.«
»Was ist los, Rufus?«
»Er atmet kaum noch. Du musst ihn sofort hochheben.«
»Hochheben? Wie soll ich ihn hochheben? Er wiegt mindestens so viel wie Kong!«
»Er muss raus aus dem Blut, sonst ist es gleich aus mit ihm«, insistiert Rufus.
»Das weiß ich! Aber ich kann nichts machen. Er liegt mit dem Gesicht nach unten, und sein Kopf ist zwischen seinen Armen eingeklemmt«, rufe ich ins Headset. »Hilf mir Rufus! Was soll ich machen!«
»Lass mich nachdenken!«, antwortet Rufus mit vor Aufregung zitternder Stimme.
Ich höre, dass er Wörter vor sich hin brabbelt. Klingt etwa so, als wäre unsere Verbindung schlecht. Ich warte, obwohl mir das gerade schwerfällt. Wenn jemand die zündende Idee hat, dann ganz bestimmt mein genialer Bruder Rufus. Und wenn er dazu ein bisschen Zeit braucht, dann muss ich jetzt so lange meine Klappe halten.
Mein Blick fällt auf den Eckschrank, der mir gerade noch als Versteck gedient hat. Hinter der Glastür ist im untersten Fach ein Schnapsvorrat zu
Weitere Kostenlose Bücher