Dumpfbacken
wehrlose Frauen zu betäuben und in den Orient zu entführen.
Ich legte ihm die Arme um den Hals. »Dann freust du dich doch jetzt umso mehr, dass du mich ganz unversehrt siehst, oder?«
Immerhin lächelte er jetzt wieder. »Komm heute Abend zu mir, dann werde ich mich selbst von deiner Unversehrtheit überzeugen. Ich muss los, Tim wartet draußen im Auto.«
Und schon war Mr. Macho wieder verschwunden.
Nachmittags rief meine Mutter an und lud Nick und mich am Freitag zum Essen ein. »Melinda war ein paar Tage unterwegs, aber Freitag ist sie wieder da, und dann feiern wir endlich ihre Rückkehr.«
»Ich komme auf alle Fälle, und Nick frage ich heute Abend, ob er Zeit hat.«
Wir telefonierten noch eine halbe Stunde, und dann war endlich Feierabend.
Ich nahm keine Abkürzungen und blickte mich immer wieder nach bösartig aussehenden Verfolgern um. Aber es war niemand zu sehen.
Nick war noch nicht zu Hause. Ich wollte gerade ausprobieren, ob man auf diesem schwarzen Lederungetüm wirklich so gut schlafen konnte, als es an der Tür klingelte. Natürlich, die Nachbarin. Sie hatte bestimmt die Wohnungstür gehört und glaubte nun, Nick wäre wieder zu Hause. Da stand sie vor mir im Hausflur und hatte sich anscheinend eine neue Masche ausgedacht. Statt halb nackt nur in ein Handtuch gewickelt und auf der Suche nach Duschgel, war sie jetzt wie das liebe Mädchen von nebenan gestylt: eine gebügelte Jeans, ein geblümtes Oberteil und sogar noch mit einem Haarreifen über der Stirn. Die hatte Nerven.
»Na, Schätzchen«, sagte ich gedehnt, »möchtest du vielleicht heute gleich hier duschen? So heiß und verschwitzt, wie du bist? Und wie wär’s vorher mit einer kleinen Gratisvorstellung? So ein kleiner Strip unter Freunden?«
Sie wurde blass und starrte mich entsetzt an. »Äh, nein, ich, ich glaube, ich komme lieber ein anderes Mal wieder«, stieß sie hervor und sprang von der Tür weg.
Über das ganze Gesicht grinsend, schloss ich die Wohnungstür. So, das dürfte sie begriffen haben, die würde Nick so schnell nicht wieder anbaggern. Gerade als ich wieder Kurs auf das Ledersofa nahm, kam Nick rein. Er schüttelte sich derart vor Lachen, dass er mich nicht mal richtig begrüßen konnte.
»Was gibt’s denn da zu lachen? Hat sich deine Nachbarin bei dir beschwert? Ich hab ihr nur klargemacht, dass du dein Duschgel nicht länger mit ihr teilen wirst.«
»Mein Duschgel teilen«, brüllte er zwischen zwei Lachanfällen.
Meine Güte, hatte der im Dienst an irgendwelchen beschlagnahmten Drogen geleckt?
»Ja-ha, dein Duschgel. Was ist daran so komisch?«
Er schaffte es, sich lange genug zu beruhigen, um mir zu antworten.
»Alice, kennst du eigentlich meine Nachbarin?«
»Ja, klar kenne ich die, die stand doch gerade eben vor mir.«
»Also, ehrlich gesagt, eben stand Melanie vor dir, die Erzieherin aus der Kita zwei Häuser weiter. Sie war schon mal hier, weil sie Unterschriften für den Erhalt ihres Kindergartens hier im Wohngebiet sammelt.«
Ich starrte Nick an. »Das ist jetzt ein Scherz, oder?«
Er lachte weiter. »Nicht von mir, nein. Aber hast du sie wirklich sexuell belästigt?«
Das konnte doch nicht wahr sein. »Aber die hat doch gar nicht gesagt, dass sie von der Kita ist«, verteidigte ich mich.
»Vielleicht, weil du sie gar nicht erst zu Wort hast kommen lassen? Süße, du bist zum Schreien. Und ist es nicht gut, dass du schon groß bist und selbst auf dich aufpassen kannst?«
Mistkerl. Als hätte er noch nie mal jemanden verwechselt.
Abends gingen wir in eine Kneipe in der Nähe, wo wir uns mit Steven und Teresa treffen wollten. Steven war – natürlich – auch ein Kollege von Nick. Teresa fand ich von allen Kollegenfrauen noch am wenigsten einschüchternd. Sie machte beruflich irgendwas mit Zahlen, ich hatte nie so ganz verstanden, was genau ihr Beruf war. Auf dem Weg bat ich Nick noch, nichts von meinem kleinen Verwechslungsmissgeschick zu erzählen. Das war nun doch zu peinlich.
Dort angekommen, ging ich erstmal zur Toilette, um meine Haare zu kämmen, während Nick sich schon zu Steven und Teresa setzte. Misstrauisch näherte ich mich dem Tisch, doch Nick hatte wohl wirklich nichts erzählt. Jedenfalls guckten sie ganz normal, als sie mich begrüßten.
Kaum dass ich saß, beugte Teresa sich vor und legte ihre Hände auf meine. Eindringlich sah sie mich an. »Alice, ich muss dir mal was sagen«, begann sie zögernd.
Ich war etwas überrascht, denn für Händchenhalten kannten wir uns
Weitere Kostenlose Bücher