Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dumpfbacken

Dumpfbacken

Titel: Dumpfbacken
Autoren: Kerstin Klein
Vom Netzwerk:
glaube, du musst ganz dringend duschen.«
    »Ich bin schmutzig?«, rief ich entsetzt.
    »Mhm, sehr, sehr schmutzig. Aber wofür hast du mich? Ich helfe dir. Wir ziehen dich jetzt ganz langsam aus, und dann stellen wir dich unter die Dusche.« Noch während er mir das erzählte, hatte er schon mein Top über den Küchenstuhl geworfen. »Und dann helfe ich dir sogar noch beim Waschen, hast du es nicht gut bei mir?«
    »Und du? Bist du auch schmutzig?« Meine Stimme bekam ein leichtes Quieken.
    »Ich bin sogar noch schmutziger als du. Da gibt es eine Menge für dich zu tun.«
    Wir nahmen die Dinge in Angriff und arbeiteten uns von der Dusche bis zum Bett vor. Ob ich hinterher wirklich sauberer war, konnte ich nicht sagen. Aber ziemlich glücklich war ich auf jeden Fall.
    Am Sonntag waren wir wieder bei meinen Eltern zum Mittagessen eingeladen. Diesmal war Nick dabei.
    »Melinda hat vorhin angerufen«, erzählte uns meine Mutter. »Und weißt du was? Sie hat uns eingeladen, sie zu besuchen. Wir können zugucken, wie gedreht wird! Ist das nicht aufregend?«
    »Auf alle Fälle«, stimmte ich ihr zu. »Wann wollen wir fahren?«
    »Melly meinte, Mittwoch wäre ein guter Tag. Kannst du dir freinehmen?«
    Na klar konnte ich das. Ich hatte noch nie bei Fernsehaufnahmen zugeguckt, da hätte Bernie sicher Verständnis.
    »Also, ich komm da ganz bestimmt nicht mit«, erklärte mein Vater. »So eine Show ist doch menschenverachtend.«
    Sagte ich ja, mit Spaß hatte er nicht viel am Hut.
    Als wir gerade bei Rinderrouladen mit grünen Bohnen saßen, klingelte es an der Tür.
    »Ich geh schon«, verzog meine Mutter das Gesicht. »Am Sonntag um diese Zeit zu klingeln, also wirklich.«
    Es dauerte nicht mal eine halbe Minute, da hörten wir sie in höchsten Tönen schreien: »Hilfe! Polizei, zu Hilfe!«
    Während mein Vater noch verdutzt guckte, war Nick schon aufgesprungen und rannte zur Tür. Ich setzte ihm nach. Als wir bei meiner Mutter angelangt waren, sahen wir beide zwei verhutzelten alten Frauen ins Gesicht, die vor der Haustür standen.
    »Wir bringen das Wort Gottes«, sagte die eine. Nick drehte sich zu meiner Mutter um.
    »Oh. Also, ich schwöre, eben wirkten sie viel bedrohlicher. Ich hatte wirklich Angst um mein Leben«, behauptete meine Mutter ungerührt.
    Ich informierte die beiden Zeuginnen Jehovas, dass in unserem Haus nur das Wort meiner Mutter galt und schob Mama schnell zurück ins Esszimmer. Mein Vater war uns nachgekommen, warf einen Blick auf die beiden alten Frauen und ging kopfschüttelnd wieder zurück zu seinem Essen.
    »Mama, dieser Blödsinn muss mal aufhören. Was denkst du dir dabei, uns alle hier so zu erschrecken wegen gar nichts?«
    »Wegen gar nichts?«, plusterte sie sich auf. »Du warst doch gar nicht dabei. Die beiden waren furchterregend. Ich hatte wirklich Angst.«
    Nick grinste sie an. »Vielleicht hast du die Situation nur ein wenig falsch eingeschätzt, Inge. Aber mal was ganz anderes – was hältst du davon, wenn ich dich mal zu unserem Training mitnehme?«
    Meine Mutter wurde hellhörig. »Was für ein Training meinst du?«
    »Nun, wir trainieren regelmäßig für den Ernstfall. Wir simulieren Geiselnahmen, bewaffnete Raubüberfälle, Angriffe auf Personen, all so etwas. Vielleicht möchtest du mal zugucken?«
    »Oh. Oh ja, das will ich.« Meine Mutter strahlte noch selig vor sich hin, als wir uns nachmittags verabschiedeten. Mein Vater vergrub sich stattdessen hinter seiner Zeitung.
    »Das ist echt nett von dir, Nick«, sagte ich im Auto. »Ich habe keine Ahnung, was in letzter Zeit mit ihr los ist. Sie war sonst immer so vernünftig.«
    »Kein Problem, Süße. Wir lassen sie mal zugucken, und ich wette, das wird ihr ganz schnell langweilig. Dann hat sie es einmal erlebt und wird danach wieder ganz normal sein.«
    Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man das nicht so?
    Am Montagmorgen saß Bernie schon in seinem Büro und strahlte übers ganze Gesicht. »Alice, weißt du, wer mich eben angerufen und um einen Termin gebeten hat?« Er schüttelte seine grauen Locken zurück und richtete sich auf. »Hansi Hansen«, flüsterte er ergriffen. Ich bemühte mich, ein ehrfürchtiges Gesicht zu machen. Hansi Hansen war ein abgehalfterter Schlagerstar, der in den Achtzigern seinen letzten Hit hatte.
    »Stell dir vor, vielleicht bin ich der Makler, der sein Haus verkaufen darf. Wäre das nicht eine ganz außerordentliche Ehre?«
    Bernie träumte von seinem Leben als Promi-Makler, doch leider musste ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher